top of page

Nachwuchsförderung im Football und Rugby

  • Andreas Renner
  • 5. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Ein Gastbeitrag von Andreas Renner, Sportjournalist und -Kommentator für Rugby, American Football und Fußball. Ehemaliger Sportdirektor in der European League of Football.


American Football und Rugby haben viele Gemeinsamkeiten: neben dem gleichen Stammbaum geht es in beiden Sportarten um Raumgewinn und am Ende gewinnt fast immer das Team, das die größten, stärksten und schnellsten Athleten hat. Mehr noch als im 15er Rugby gilt das für die 7er-Variante, wo der vorhandene Platz auf dem Feld viel schwerer in einem Mannschaftskonzept zu verteidigen ist. Überragende Einzelkönner sind oft die entscheidenden Akteure auf dem Feld.


Sind wir ganz ehrlich: bei Größe und Stärke können wir Deutschen ganz gut mithalten, eine Nation von Weltklassesprintern sind wir nicht. Und da es im Sport selten nur darum geht, einfach nur schnell geradeaus zu laufen, ergänze ich: wir sind auch keine Nation von Weltklassesprintern, die dazu noch beweglich genug sind, um einen Tackler auf einem Bierdeckel auszutanzen. Bei den 7ern sind es aber genau diese Spieler, die Partien entscheiden können.


Wie kann man das ändern? Der erste Schritt muss sein, noch deutlich mehr Jugendliche für Rugby zu interessieren. Fernsehübertragungen von Top-Rugbyevents tun ihren Teil dazu, aber ein möglichst flächendeckendes Konzept mit Schulprogrammen, bei denen Teenager mit dem Sport in Kontakt kommen, ist absolute Pflicht. Je früher, desto besser, denn Spieler, die mit 17 Jahren erstmals mit einer Sportart zu tun haben, sind gegenüber denjenigen, die fünf Jahre früher anfangen, im Nachteil.


Für solche Programme muss es Ressourcen geben. Investiert man Fördergelder, die sonst exklusiv dem 7er-Programm vorbehalten sind, in die Jugend, kann davon auch die 15er-Variante profitieren, schließlich hat ein 14-jähriger, der zum ersten Mal einen Rugbyball in die Hand nimmt, sich noch nicht entschieden, ob er am Ende die eine oder die andere Variante bevorzugt. Und von mehr Spielern profitiert am Ende das deutsche Rugby ganz allgemein.



Die nächste Frage lautet: was machen wir mit den so rekrutierten neuen Spielern? Klar, die gehen zu den nächstgelegenen Rugbyklubs und lernen die Grundlagen des Spiels. Nur wenige davon werden sich als so talentiert herausstellen, dass sie am Ende in den deutschen Nationalteams landen. Die große Masse, die letztendlich Breitensport betreibt, soll uns hier jetzt mal nicht interessieren. Die auffällig talentierten Spieler aber schon. Denn die müssen gefördert werden. Und gefördert werden heißt nicht: ein Mal pro Woche abends zwei Stunden trainieren.


Bei dieser Eliteförderung muss man im Kopf behalten, dass wir die größten, schnellsten und athletischsten Spieler suchen. Spieler, die diesen Kriterien nicht entsprechen, werden vermutlich nie das absolute Toplevel erreichen. Die Eliteförderung muss sich also auf diejenigen konzentrieren, die bestmögliche Voraussetzungen für Erfolg haben. Deshalb sollte es für jede Position definierte Ideal- und Mindestvoraussetzungen geben. Und wer diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, sollte auch nicht auf dem Elitelevel gefördert werden.


Um sich technisch und athletisch zu entwickeln braucht es konsequentes und zielgerichtetes Training. Ein Training, das ein normaler Rugbyklub gar nicht bieten kann, weil es am besten täglich stattfindet. Ein Weg dahin sind Jugendakademien, die möglichst über das Land verstreut den größten Talenten eine Mischung aus Schule und Rugbyförderung bieten können. Im American Football gibt es Modelle, wie man so etwas ohne große finanzielle Investitionen in Zusammenarbeit mit schon existierenden Schulen aufbauen kann.


Das ist natürlich auch noch nicht der Weisheit letzter Schluß, sondern nur ein Anfang. Die allerbesten Talente müssen darin bestärkt werden, ihre Rugbyausbildung im Ausland zu machen. Das kann über Akademien von französischen oder englischen Klubs funktionieren, oder über Rugby-Stipendien für amerikanische Unis, wo Sport und Bildung zusammen vorbildlich gefördert werden.


Nun könnte man die bekannte Frage stellen: was haben wir davon? Im Idealfall einen Spieler, der nie für Deutschland spielen wird, weil er für eine der Top-Nationalmannschaften der Rugbywelt spielt. Ein Sebastian Vollmer, der mit den New England Patriots zwei Super Bowls gewann, hat nie für das deutsche Football-Nationalteam gespielt. Aber er hat anderen Jugendlichen gezeigt, dass es im Football einen Weg von Deutschland in die Weltspitze gibt. Ein Anton Segner könnte eine vergleichbare Rolle im Rugby spielen.


Im Football gibt es inzwischen diverse Agenturen, die darauf spezialisiert sind, europäische Jugendliche an Top-Collegeprogramme in die USA zu vermitteln. Dort erhalten sie die bestmögliche Footballausbildung. Die bekannteste Agentur heißt PPI-Recruits, ihr Gründer Brandon Collier, ein ehemaliger deutscher Bundesligaspieler, wurde von einem amerikanischen Sportmagazin zu einem der einflußreichsten Menschen im American Football gewählt, denn selbst die Amerikaner suchen händeringend nach Nachwuchs. Ein ähnliches Konzept ist auch im Rugby denkbar.


Bleibt die Frage, für wen wir solche Programme fördern wollen, wenn die Topathleten gar nicht für Deutschland spielen? Nun, zuerst natürlich für die Spieler selbst, die hoffentlich ihren Traum erfüllen können. Und die als Botschafter der Sportart ein großes Publikum erreichen und mehr Jugendliche zum Rugby bringen. Wahr ist aber auch: den Weg an die Spitze schaffen nur die Allerwenigsten. Und die anderen kehren zum großen Teil nach Deutschland zurück, besser ausgebildet als das hierzulande möglich ist und verstärken die Bundesliga und die Nationalteams.


Ich habe 2023 als Sportdirektor des American Football-Teams Frankfurt Galaxy in der European League of Football gearbeitet und kann aus eigener Erfahrung sargen: im Football, wo jährlich Dutzende deutscher Spieler an amerikanischen Colleges anfangen, ist es keine ferne Zukunftsvision, dass bei den sieben deutschen Teams der ELF zusätzlich zu den vier Amerikanern und den sechs europäischen Importspielern die restlichen zwölf Starterplätze in Angriff und Abwehr komplett von ehemaligen deutschen Collegespielern besetzt werden.


Rugby ist bei dieser Entwicklung sicher noch einige Schritte hinter dem Football zurück. Aber wenn man den Blick über den Tellerrand wagt, sich bei anderen Sportarten die sinnvollsten Projekte anschaut, die auf das Rugby überträgt und sie gezielt fördert, gelingt es vielleicht endlich, mit den 7ern die World Series zu erreichen (und dauerhaft dort zu bleiben) und die 15er müssen im REC auch nicht um den Klassenverbleib bangen, sondern können die Spitze angreifen.


Comments


bottom of page