Uruguay: Der unbeugsame Herausforderer
- Rugby-News Team
- 29. Apr.
- 3 Min. Lesezeit

Für die deutsche Siebener-Nationalmannschaft geht es am Wochenende in Los Angeles um nicht weniger als den Platz auf der größten Bühne des Sports: der HSBC SVNS Series. Die Gruppenauslosung beschert Deutschland drei Gegner, die jeweils auf ihre Weise Respekt verdienen: Uruguay, Irland und Kanada. Drei Rugbykulturen, drei Spielstile, drei Prüfsteine, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Wer die Szene verfolgt, weiß um die Geschichten, die diese Mannschaften prägen – von Aufbrüchen, Rückschlägen und unerschütterlichem Kampfgeist. Es wird ein Wochenende der Entscheidungen – und die Hoffnung reist mit, dass auch die deutschen Farben am Ende in der Weltelite wehen.
Es gibt Siege, die ein neues Selbstverständnis prägen. Für Uruguays Siebener-Nationalmannschaft, die "Teros Sevens", bedeutete der Auftritt beim SVNS-Turnier in Perth Anfang 2025 nicht weniger als einen historischen Meilenstein: Innerhalb weniger Stunden bezwang das Team erst Fidschi mit 24:17 nach einem 0:17-Rückstand und danach erstmals in seiner Geschichte Neuseeland mit 17:12. Zwei Siege gegen übermächtige Gegner – und ein Signal an die Rugbywelt, dass mit Uruguay künftig zu rechnen sein wird.
Die Stärke der Südamerikaner liegt weniger im spektakulären Angriffsspiel als in einer selten gesehenen Kämpfermentalität und Disziplin. Unter der Führung ihres Kapitäns Diego Ardao, dem unermüdlichen Antreiber und Taktgeber der Mannschaft, zeigen die Teros Sevens ein Rugby, das auf Geduld, Körperlichkeit und kompromissloser Defensive basiert. In Perth verstanden sie es meisterhaft, favorisierte Gegner unter Druck zu setzen, deren Fehler gnadenlos auszunutzen und lange Ballbesitzphasen für sich zu gestalten. Selbst die hochgelobten All Blacks Sevens verloren unter Uruguays aggressivem Forechecking mehrfach den Ball – eine Szene, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar gewesen wäre.
Doch aller Aufschwung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Uruguay noch immer ein Neuling auf höchstem Niveau ist. Der bemerkenswerten Leistung von Perth standen während der Saison auch deutliche Niederlagen gegenüber, etwa ein 7:70-Debakel gegen Fidschi in Kapstadt. Die mangelnde Konstanz über ein ganzes Turnier hinweg bleibt eine der großen Herausforderungen für die "Celeste", zumal der Kader in der Breite mit den führenden Rugby-Nationen noch nicht mithalten kann. Fällt eine Schlüsselfigur wie Ardao aus, wirkt sich dies unmittelbarer auf die Spielqualität aus als bei etablierten Top-Teams.
Verantwortlich für die jüngste Weiterentwicklung ist Gabriel "El Tambor" Puig. Der ehemalige Nationalspieler übernahm im Oktober 2024 das Amt des Cheftrainers von Ivo Dugonjic, unter dessen Ägide Uruguay erstmals südamerikanischer Meister wurde und sich für die Olympischen Spiele in Paris qualifizierte. Puig, zuvor als Co-Trainer eng mit der Mannschaft verbunden, setzt den eingeschlagenen Kurs fort: hohe Fitnessstandards, eiserne Disziplin, jedoch ergänzt um spielerische Variabilität. Gemeinsam mit seinem Assistenten Tomás Jolivet will er die Teros Sevens nicht nur auf Weltklasse-Niveau etablieren, sondern ihnen auch den nötigen taktischen Feinschliff verleihen, um auf unterschiedliche Gegner flexibel reagieren zu können.
In den vergangenen drei Jahren hat Uruguay eine erstaunliche Entwicklung genommen. 2023 stand erstmals der Titelgewinn bei der südamerikanischen Meisterschaft, 2024 folgte das olympische Debüt, bei dem die Mannschaft Japan mit 21:10 bezwingen konnte und schließlich einen respektablen elften Platz erreichte. Fast parallel dominierte man 2024 die Challenger Series – die zweite Liga des Weltverbandes – und feierte im Grand Final von Madrid den Aufstieg in die HSBC SVNS Series 2025. Die Spielzeit als Kernteam in der Eliteliga verlief mit Höhen und Tiefen: Glanzlichter wie die Siege in Perth wurden durch die Unerbittlichkeit der World Series relativiert, sodass Uruguay nun in Los Angeles um den Klassenerhalt spielt.
Stilistisch verkörpert Uruguay traditionelle Rugby-Tugenden auf moderne Weise. Der Ansatz ist defensiv geprägt: intensive Tacklings, konsequentes Stören am Breakdown und eine kluge Verwaltung von Ballbesitz. Im Angriff zeigen die Teros Geduld und Weitsicht. Statt riskanter Laufmanöver oder ambitionierter Offloads bevorzugen sie sichere Passstafetten und gezielte Ausnutzung der Schwächen des Gegners. Dabei scheuen sie sich auch nicht, pragmatische Entscheidungen zu treffen – wie etwa den seltenen, aber entscheidenden Penalty-Kick gegen Neuseeland, der den späteren Sieg absicherte.
Uruguay tritt heute nicht mehr als Außenseiter auf, der auf den Zufall hofft. Vielmehr ist es ein reifer, taktisch disziplinierter Herausforderer, dessen Spieler gelernt haben, dass auch in der Weltspitze der Glaube an die eigene Stärke Berge versetzen kann. Der Weg in Los Angeles wird schwer. Doch unterschätzen wird die Teros Sevens nach Perth niemand mehr.
Einschätzung von Nationaltrainer Clemens von Grumbkow:
„Uruguay kennen wir gut: eine physische Mannschaft, die intensiv den Kontakt sucht. Sie sind nicht übermäßig schnell, aber stark im Ballbesitz, effektiv im Zurückerobern von Bällen und gefährlich bei Turnovers. Auch Uruguay hat sich über die letzten Jahre gut entwickelt und bringt dieses Jahr viele neue Spieler, die wir noch nicht genau kennen – ein Gegner, der auf hohem Niveau mitspielen kann.“
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