Ankick - Nachholspieltag in Heidelberg
- Rugby-News Team
- vor 4 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Auf den ersten Blick ist es ein klassisches Dezember-Nachholspiel: tiefer Boden, müde Knochen, Tabellenkeller. Wer genauer hinschaut, erkennt eines der spannendsten Duelle vor der Winterpause. Der Berliner RC wartet immer noch auf den ersten Saisonsieg, der Heidelberger RK schleppt die Erinnerung an zwei in letzter Minute verlorene Spiele mit sich herum. Beide wissen: Dieses Spiel erzählt mit, wie sich die Rückrunde anfühlen wird.

In Berlin ist die Lage klar – und doch nicht so trist, wie es die Tabelle vermuten lässt. Coach Ares van Look blickt mit Respekt auf den Gegner, aber ohne zu buckeln. „Wir erwarten ein junges, dynamisches Team, das über die Hinrunde gezeigt hat, dass man absolut mit ihnen rechnen muss“, sagt er über den HRK. Das knappe 21:27 des Klubs in Neuenheim, „in der letzten Minute verloren“, ist in der Hauptstadt genau analysiert worden.
Gleichzeitig sieht van Look viele Parallelen zwischen beiden Vereinen. Der HRK bringe im Sturm viel Erfahrung mit und habe in der Hintermannschaft junge, talentierte Spieler – „so ähnlich schätze ich uns auch ein“. In Berlin ist in den vergangenen Monaten eine Mischung gewachsen aus abgeklärten Stützen und Spielern, die ihre erste Bundesligasaison erleben, dabei gleich viele Minuten sammeln und sich „wirklich gut machen“, wie der Trainer betont. „Darauf sind wir extrem stolz.“
Stolz allein bringt allerdings keine Punkte. Das große Thema der Trainingswoche war die Chancenverwertung. Gegen Handschuhsheim spielte der BRC lange ordentlich nach vorne, kam mehrfach tief in die 22 – und nahm außer einem Straftritt nichts mit. „Es wird in erster Linie darum gehen, die kleinen Fehler aus dem TSV-Spiel abzustellen und die guten Akzente mitzunehmen. Das Ergebnis hat nicht unsere Leistung widergespiegelt.“, sagt van Look. Man habe eine „konzentrierte Trainingswoche“ hinter sich und sich besonders darauf fokussiert, aus Druckphasen in der gegnerischen 22 diesmal „zwingend Zählbares mitzunehmen“.
Vom Selbstverständnis her bleibt Berlin der körperliche, direkte Gegner, den keiner so recht gern vor sich hat. „Wir sind ein sehr physisch starkes Team“, sagt van Look. Gerade dort liegt für ihn der Schlüssel: mit dem Paket stetig Meter machen, geduldig pick and go spielen, nicht den Offload auf Teufel komm raus suchen – und dann, wenn die Heidelberger Defensive schmal wird, „zu gegebener Zeit unsere Hintermannschaft ins Spiel bringen“. Im Training habe das in dieser Woche „sehr gut“ ausgesehen.
Natürlich ist auch an der Sachtlebenstraße zu spüren, dass eine lange Hinrunde in den Beinen steckt. „Wir mussten im Kader einige Anpassungen vornehmen“, sagt der Trainer. Die Zuversicht leidet darunter nicht. Es rücken Spieler nach, „die sich im Training gut gezeigt haben, extrem Bock haben und heiß sind.‘‘ Die Stimmung beschreibt van Look fast schon mit Vorfreude: „Alle freuen sich auf das letzte Spiel und darauf, vor der Winterpause noch einmal auf dem Platz zu stehen.“
Auf der anderen Seite kommt ein Heidelberger RK, der zwar mehr Punkte auf dem Konto hat, sich aber eher wie ein tragischer Held dieser Hinrunde fühlt. Zwei Mal stand der Klub zuletzt dicht vor einem Coup gegen Playoff-Kandidaten – zwei Mal entglitt das Ergebnis in der Schlussminute. Genau diesen Faden wollen die Heidelberger in Berlin durchschneiden.
„Wir erwarten ein enges und sehr physisches Spiel gegen einen Gegner, der zuletzt eine klar aufsteigende Form hatte“, sagt HRK-Coach Steffen Liebig. Er zählt die Partien auf, in denen der BRC lange voll im Spiel war: gegen den TSV, gegen Germania List, München, Hannover 78. „Die Ergebnisse spiegeln die tatsächlichen Leistungen von Berlin nicht wider“, lautet sein Urteil. Viele Begegnungen hätte der BRC „auch gewinnen können oder sogar müssen“. Der Tabellenstand täusche daher: „Leistungstechnisch sind sie im breiten Tabellenmittelfeld anzusiedeln.“
Ganz ohne eigene Sorgen reist der Klub nicht an. „Die Kadersituation ist weiterhin angespannt“, sagt Liebig. Aus den letzten beiden Partien seien „zahlreiche angeschlagene Spieler“ hinzugekommen, wer am Ende wirklich aufläuft, entscheide man erst am Freitagabend. Es ist das übliche Dezember-Puzzle: halb Physioraum, halb Taktiktafel.
Trotzdem kann der HRK gezielt frische Kräfte ziehen. U18-Nationalspieler Luan Dietz und Zweite-Reihe-Stürmer Johannes Armbruster wurden zuletzt geschont und kehren in den Kader zurück. U20-Nationalspieler David Jahn könnte nach langer Verletzung sein Saisondebüt geben, die Entscheidung fällt nach dem Abschlusstraining. „Außerdem haben wir noch zwei erfahrene Joker in der Hinterhand, die bei Bedarf ebenfalls ihr erstes Saisonspiel machen könnten“, sagt Liebig – eine Art Sicherheitsnetz für ein Spiel, in dem die Bank eine große Rolle spielen dürfte.
Das Ziel formuliert der Trainer ohne Umschweife: „Wir wollen mit einem Sieg in die Winterpause gehen und die guten Leistungen der letzten beiden Spiele bestätigen.“ Der entscheidende Zusatz richtet sich wahrscheinlich an jede einzelne Minute nach der 70.: „Dieses Mal mit dem Unterschied, dass wir bis zur letzten Aktion konzentriert sein müssen.“
Taktisch lässt sich das Duell schlicht beschreiben: zwei Teams, die über ihren Sturm kommen, viele harte Kollisionen, viel Arbeit am Breakdown, wenig Platz für Zierde. Wer die Standards besser kontrolliert und in der Red Zone kühlen Kopf bewahrt, wird ein Stück vor sein. Berlin hat oft gezeigt, dass es defensiv voll auf der Höhe ist und physisch niemanden fürchten muss, verlor aber zu häufig im entscheidenden Moment Disziplin oder Geduld. Der HRK hat zuletzt bewiesen, dass er selbst Spitzenmannschaften den Rhythmus nehmen kann – und sich dann in den Schlussminuten doch um den Lohn gebracht.
So könnte am Ende ein Detail den Ausschlag geben: ein Kick in die Ecke statt auf die Stangen, eine Gelbe Karte zur Unzeit, ein verpasster Tackle in der 79. Minute. Beide Trainer haben in dieser Woche vor allem zwei Wörter wiederholt: Disziplin und Nervenstärke.
Prognose:
Es spricht vieles für ein enges, körperbetontes Spiel, in dem niemand früh wegzieht. Berlin hat zu Hause und mit der frischen Erinnerung an die vertanen Chancen in Handschuhsheim eine Menge Energie im Tank, der HRK bringt die etwas größere Erfahrung in engen Partien und ein paar Rückkehrer mit. Am Ende könnte der Klub den berühmten einen Fehler weniger machen.
Tipp: Der Heidelberger RK setzt sich knapp mit 24:20 durch – und der Berliner RC nimmt zumindest den Defensivbonus der Saison mit in die Winterpause.





Kommentare