Ankick - Tiefer Boden, müde Knochen, große Ziele
- Rugby-News Team
- vor 2 Tagen
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Der 10. Spieltag der Rugby-Bundesliga ist der klassische Dezember-Mix: volle Lazarette, schwerer Boden – aber niemand ist bereit, auch nur einen Zentimeter herzuschenken. In Luxemburg stemmt sich ein halber Notkader gegen den formstarken MRFC, am Harbigweg treffen die formstarke RGH und die wiedererstarkte Germania List in einem echten Technik- und Körner-Duell aufeinander. Hannover 78 will dem ungeschlagenen Meister aus Frankfurt zumindest einen Bonuspunkt abluchsen, der HRK hofft in Neuenheim auf ein Déjà-vu zum legendären 16:15 – und im Löwenkäfig jagt der TSV Handschuhsheim den Fünf-Punkte-Plan, während der BRC um jeden Lebenszeichen-Zähler kämpft.

RC Luxembourg – München RFC
Zum Auftakt des 10. Spieltags öffnet Luxemburg schon um 13 Uhr die Tore – und beide Teams kommen mit reichlich Ballast im Gepäck. Der RC Luxembourg steckt tief im Personalsog, der München RFC hat noch die Spuren des Spektakels in Handschuhsheim in den Knochen. Tabellarisch ist es das Duell des Neunten gegen den Siebten – sportlich aber vor allem ein Charaktertest zum Jahresende.
Für den RCL könnte die Ausgangslage kaum komplizierter sein. Trainer Antoine Alric spricht offen von „einer äußerst schwierigen Situation“. Die Liste der Ausfälle sprengt inzwischen jedes normale Maß: „Wir haben aktuell rund zwanzig verletzte Spieler“, berichtet er, dazu fehlen weitere Akteure wegen eines parallel stattfindenden Länderspiels. Viel Rotieren, viel Improvisation – und trotzdem kein Jammern. „Wir erwarten daher ein sehr schwieriges Match“, sagt Alric, betont aber im gleichen Atemzug, dass man sich nicht kampflos in die Winterpause verabschieden will: „Trotzdem werden wir alles geben, um das Jahr 2025 mit einer positiven Leistung abzuschließen.“
Auf der anderen Seite der München RFC, der nach dem Herzschlag-Finish beim 39:41 in Handschuhsheim vor allem mental gefordert ist. Coach Alan Moughty nimmt die Situation mit seinem typischen, trockenen Humor: Die Vorbereitung laufe „so gut, wie man es eben erwarten kann“ – im Moment klebe man „gefühlt mehr Tape, als dass wir wirklich trainieren“. Aus dem „bruising encounter“ der Vorwoche sind ein paar Blessuren geblieben, doch von Resignation keine Spur: „Wir freuen uns trotzdem auf unseren letzten Auftritt im Jahr 2025.“
Ein zusätzlicher Gegenspieler wird am Samstag von oben kommen. „Das Wetter sieht in Luxemburg nicht besonders gut aus, es ist viel Regen angesagt“, so Moughty, der fest damit rechnet, dass die Bedingungen „einen deutlichen Einfluss auf das Spiel haben werden“. Für München geht es darum, an die insgesamt verbesserten Leistungen der vergangenen Wochen anzuknüpfen: „Wir wollen auf den letzten Spielen aufbauen. Wenn uns das gelingt – wer weiß.“ Gleichzeitig macht der Coach sich und seinem Team nichts vor: „Es ist ein extrem schwieriger Ort, um ein Ergebnis zu holen. Wir machen uns keine Illusionen über die Aufgabe, die vor uns liegt.“
Prognose: Luxemburg tritt mit dem Rücken zur Wand an, aber zu Hause und mit dem erklärten Ziel, sich würdig in die Winterpause zu verabschieden. München kommt zwar angeschlagen, aber mit mehr personeller Tiefe und der offensiven Firepower aus Handschuhsheim. Auf schwerem Boden dürfte es weniger spektakulär als zuletzt werden – eher Ringkampf als Super-Rugby. Wenn der RCL das Lazarett einigermaßen kompensieren kann, ist ein offener Schlagabtausch möglich. Leichtes Übergewicht hat dennoch der strukturiertere MRFC.
München RFC setzt sich knapp durch und gewinnt mit 23:19.
RG Heidelberg – SC Germania List
Am Harbigweg trifft am 10. Spieltag geballte Spielfreude auf Wintertristesse. Die RG Heidelberg geht als Tabellendritter in das Duell mit dem SC Germania List, der nach einer beeindruckenden Serie plötzlich wieder ernsthaft im Playoff-Rennen mitmischt. Sportlich ist alles angerichtet für ein Topspiel – nur der Kalender spielt nicht ganz mit.
RGH-Coach Gareth Jackson gerät beim Blick auf den Gegner fast ins Schwärmen. Germania List habe „einige fantastische Spieler, darunter echte Weltklasse-7er-Spieler“, und insgesamt „eine Gruppe voller Talente zusammengestellt“. Sein einziger Vorwurf richtet sich daher nicht an Hannover, sondern an den Spielplan: „Mein einziger Kritikpunkt ist, dass das Spiel im Dezember stattfindet. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies an einem warmen Frühlingstag eines der besten Spektakel des deutschen Rugbys sein könnte – etwas, das neue Fans für diesen Sport begeistern könnte.“
Die Realität ist jedoch: Nieselregen statt Frühlingssonne, schwerer Boden statt sommerlichem Highspeed-Rugby. Und ein RGH-Kader, der die vergangenen Wochen deutlich gespürt hat. „Ähnlich wie in den letzten zwei Wochen“, beschreibt Jackson die Personalsituation. Man sei „Opfer von dreieinhalb Spielen in Folge“ – das Frankfurt-Spiel wurde bekanntermaßen erst nach dem Aufwärmen verschoben. Dennoch ist die Zielsetzung messerscharf formuliert: „Wir wollen diese Saisonhälfte auf dem dritten Platz beenden. So einfach ist das.“ Ein Heimsieg gegen Germania wäre dafür ein gewichtiges Argument.
Auf der anderen Seite kommt ein Gegner, der sich in den vergangenen Wochen fast schon in einen Flow gespielt hat. „Die Serie lebt und wir sind gut in der Spur“, sagt Germania-Coach Stefan Mau – und trifft damit die Stimmungslage in Hannover ziemlich genau. Gleichzeitig spürt er die Kehrseite des Erfolgs: „Dieser Vier-Wochen-Block geht ganz schön an die Substanz. Einige Teams konnten sich aufgrund der Wetterlage vielleicht eine Pause gönnen, aber wir haben durchgezogen – und das merkt man den Jungs an.“
Der Kader der Germanen ist „dünn, aber gut besetzt“, wie Mau betont. An Motivation mangelt es ohnehin nicht: Man will in Heidelberg unbedingt Punkte holen. Zugleich hat der Coach ein waches Auge auf den Gegner: „Die RGH hat sich sehr gut erholt und diese Saison reichlich Zuwachs bekommen – das zeigt sich aktuell auch in der Tabelle.“ Es ist also kein Spiel, in das Germania mit Leichtigkeit spaziert, sondern ein echter Härtetest.
Mau erwartet eine Partie auf hohem Niveau: „Ich schätze das Spiel als technisch anspruchsvoll ein.“ Am Ende werde weniger eine taktische Finesse entscheiden als ein sehr einfaches Prinzip: „Das Team, das die Kollisionen dominieren kann, wird gewinnen. Wer noch mehr Körner hat, kann sich den Sieg holen.“ Es ist die klassische Frage eines langen Rugby-Jahres: Wer hat vor Weihnachten noch genügend Sprit im Tank?
Prognose: Am Harbigweg prallen zwei Mannschaften aufeinander, die sich in Sachen Selbstvertrauen kaum etwas schenken. Die RGH besitzt den Heimvorteil, ein funktionierendes System und das klare Ziel, Platz drei zu sichern. Germania bringt die Dynamik einer Serie, viel individuelle Klasse und eine bemerkenswerte Comeback-Mentalität mit – aber auch müde Beine nach einem intensiven Block. Auf schwerem Winterboden dürfte es weniger spektakulär als im Frühlingsfantasie-Szenario von Gareth Jackson werden, dafür umso physischer.
Die RG Heidelberg nutzt den eigenen Platz, die etwas größere Kaderbreite und ein Quäntchen Frische – Germania hält lange dagegen, muss sich am Ende aber knapp geschlagen geben.
RG Heidelberg gewinnt ein enges, intensives Duell mit 36:21.
Hannover 78 – SC Frankfurt 1880
Zum Jahresabschluss bekommt Hannover 78 noch einmal die größtmögliche Aufgabe serviert: Der ungeschlagene Meister aus Frankfurt 1880 kommt in den Norden – und mit ihm eine Saisonbilanz, für die man im Rugby-Lehrbuch ein eigenes Kapitel freiräumen könnte. Doch wer glaubt, Hannover wolle sich nur artig verbeugen, irrt. Die Gastgeber haben ein klares Ziel: mindestens einen Bonuspunkt und ein echtes Ausrufezeichen vor der Winterpause.
Hannover-Coach Jarrod Saul macht sich nichts vor, was die Rollenverteilung angeht. „Das Spiel wird super schwierig, wir wissen alle, dass Frankfurt in diesem Jahr die Mannschaft ist, die es zu schlagen gilt“, sagt er offen. Das Hinspiel, in dem 78 deutlich unter die Räder kam, ist noch präsent – und dient gleichzeitig als Mahnung und Motivation. „Sie haben uns im ersten Spiel ein paar Punkte eingeschenkt. Diesmal wollen wir unsere Chancen nutzen, wenn sie sich bieten – und länger als 20 Minuten gutes Rugby spielen“, formuliert Saul mit trockenem Humor.
Immerhin: Die Ausgangslage im Kader ist deutlich besser als noch in der Vorwoche. „Im Vergleich zu letzter Woche, als wir insgesamt nur 19 Spieler zur Verfügung hatten, haben wir diesmal wieder einen vollen Kader“, berichtet der Coach. Zwar fehlen immer noch „zwei, drei Schlüsselspieler“, doch die Breite ist zurück. Das Ziel formuliert er ohne Umschweife: „Wir sind heiß auf diesen Bonuspunkt und wollen die Saison unbedingt positiv abschließen.“
Auf der anderen Seite reist ein SC Frankfurt 1880 an, der auf einen außergewöhnlichen Rugby-Jahreszyklus zurückblickt. Coach Byron Schmidt klingt fast selbst ein wenig ehrfürchtig, wenn er Bilanz zieht: „Es war ein unglaublich erfolgreiches Jahr für den Klub. Man müsste wohl lange zurückblicken, um ein Jahr zu finden, in dem ein Team so dominant war – was erzielte Punkte, kassierte Punkte und die reine Siegesserie angeht.“ Kein Spiel verloren, dazu traditionell eine Saison, die durch Finalteilnahmen „immer noch zwei, drei, vier Wochen länger dauert“ als bei den meisten anderen Klubs – Frankfurt hat 2025 wahrlich ausgereizt.
Eigentlich hätte nach Hannover noch ein Nachholspiel gegen die RG Heidelberg angestanden, doch diese Partie wurde kurzfristig auf März verschoben. „Deshalb ist dieses Wochenende wirklich unser letztes Spiel des Jahres“, erklärt Schmidt. Ein Auslaufen wird das allerdings nicht. Der Südafrikaner erwartet am Platz an der Stammestraße ein völlig anderes Spiel als im ersten Aufeinandertreffen: „Auf ihrem Feld hat Hannover immer gute Ergebnisse erzielt. Wir wissen, dass wir wirklich gut spielen müssen – wenn wir gegen so ein Team auswärts nicht unsere Leistung bringen, wird es immer schwierig.“
Der Respekt ist spürbar: „Wir freuen uns darauf, gegen eine Mannschaft zu spielen, die wir sehr schätzen“, sagt Schmidt. Gleichzeitig ist der Anspruch klar: Nach dem demonstrativen Machtwort in Neuenheim will der Meister die Hinrunde mit einem weiteren Statement beschließen – auch, um die eigene Messlatte hoch zu halten.
Prognose: Hannover 78 hat sich in den vergangenen Wochen als zäher, unangenehmer Gegner präsentiert, der gerade zu Hause selten einfach zu bespielen ist. Mit einem wieder voll besetzten Kader und dem erklärten Ziel, Frankfurt zumindest defensiv zu ärgern, dürfte 78 alles in dieses Spiel werfen. Doch der Meister reist mit der Ruhe und der Wucht eines kompletten Rugbyjahres ohne Niederlage an – und mit einer Defensive, die zuletzt selbst Neuenheim bei null Punkten hielt.
Hannover wird Phasen haben, in denen es Frankfurt durchaus beschäftigt und vielleicht sogar kurz an einem Bonuspunkt schnuppert. Über 80 Minuten aber spricht die größere Tiefe, Struktur und Kaltschnäuzigkeit für den Titelverteidiger.
Der SC Frankfurt 1880 gewinnt am Ende verdient mit 46:21.
SC Neuenheim – Heidelberger RK
Am Museumsplatz treffen zwei Teams aufeinander, deren Stimmungen unterschiedlicher kaum sein könnten – und die sich doch besser kennen, als es die aktuelle Tabelle vermuten lässt. Auf der einen Seite der SC Neuenheim: individuell top besetzt, mit klarer Spielanlage, aber zuletzt mit einem ungewohnten Dämpfer in Luxemburg und einem klaren 0:38 gegen Frankfurt. Auf der anderen Seite der Heidelberger RK: tief im Tabellenkeller, mit einem Kader auf Verschleiß, aber mit der festen Überzeugung, dass in genau solchen Spielen Überraschungen geboren werden.
HRK-Coach Steffen Liebig ordnet die Rollen unmissverständlich ein: „Die Rollen sind klar verteilt, der SCN ist klarer Favorit“, sagt er. Die jüngsten Ergebnisse der Königsblauen – das Remis in Luxemburg und die deutliche Niederlage gegen den Meister – will er nicht überbewerten: „Davon sollte man sich nicht blenden lassen. In Luxemburg ist es immer schwer, und das Ergebnis gegen Frankfurt täuscht – sie hatten einen schlechten Start, und gerade in der ersten Halbzeit waren sie lange in Frankfurts 22, ohne Punkte mitzunehmen.“ Insgesamt wirke der SCN „sehr gefestigt, mit einer tollen Spielanlage“.
Beim „Klub“ selbst liest sich die Personallage wie so oft in dieser Saison angespannt. „Wie bei allen Teams ist die Kaderlage weiterhin schwierig“, so Liebig. Nach dem Derby am Harbigweg sind „ein, zwei neue angeschlagene Spieler“ dazugekommen, dazu die bekannten „neun, zehn Dauerverletzten, Rotgesperrten etc.“. Mit Jonas Malaizier fehlt zudem ein weiterer wichtiger Leistungsträger beruflich bedingt. Kurz gesagt: Die Komfortzone ist weit entfernt.
Ganz abschreiben will der HRK das Spiel dennoch nicht – im Gegenteil, man plant mit spitzem Bleistift. „Priorität hat für uns das Spiel gegen den BRC in der nachfolgenden Woche“, gibt Liebig offen zu. Deshalb werde man „auf ein paar Positionen, in denen wir eine gute Tiefe haben, rotieren“, aber dennoch „eine starke Mannschaft aufbieten“. Ein spannendes Detail: Til Zahner steht vor seinem Saisondebüt, sodass man Bruder Max nach seinen vielen Einsatzminuten endlich einmal eine Verschnaufpause gönnen könnte. Unter dem Strich, so Liebig, werde der Kader „vergleichbar zur Vorwoche“ sein.
Auch an die jüngeren Nationalspieler wurde gedacht: „Unter der Woche haben wir unseren U20- und U18-Nationalspielern trainingsfrei gegeben, um sie nach der hohen Belastung noch gut in die Winterpause zu bekommen.“ Zwischen Belastungssteuerung, Abstiegskampf und Derby-Planung wirkt der HRK wie ein Team, das auf dünnem Draht balanciert – aber genau weiß, warum.
Die Zielsetzung vor diesem Spiel ist daher nüchtern und zugleich ambitioniert: „Wie im Hinspiel wollen wir mindestens eine Halbzeit gewinnen und mindestens einen Bonuspunkt holen“, formuliert Liebig. Und dann ist da noch diese Erinnerung, die er ganz bewusst wachruft: „Ich sehe keinen Grund, warum wir nicht unseren 16:15-Sieg von vor vier Jahren wiederholen sollten.“ Die Parallelen seien frappierend: „Die Ausgangssituation ist nahezu identisch – Spiel sehr spät im Jahr, beide Teams mit einigen Ausfällen, tiefer Boden auf dem Museumsplatz, Tabellensituation ähnlich. Damals haben wir über einen guten Start und Kampfgeist den Sieg geholt, obwohl der SCN individuell klar besser besetzt war.“ Dass Neuenheim damals dadurch den Finaleinzug verpasste, sei bei einigen Spielern „bestimmt noch gut in Erinnerung“.
Prognose: Auf dem tiefen Winterboden am Museumsplatz spricht auf dem Papier fast alles für den SC Neuenheim: mehr Qualität in der Breite, eine stabile Spielanlage und der Wunsch, nach zwei durchwachsenen Ergebnissen ein klares Zeichen zu setzen. Der HRK kommt mit einem erneut dezimierten, aber kämpferischen Kader – und mit der Erinnerung daran, dass genau an diesem Ort schon einmal ein kleines Wunder gelungen ist.
Realistisch ist: Der „Klub“ wird Phasen haben, in denen er Neuenheim ernsthaft beschäftigt, vielleicht sogar eine Halbzeit eng gestaltet und um den Defensivbonus mitspielt. Über 80 Minuten dürfte jedoch die größere Tiefe und Struktur des SCN den Ausschlag geben.
Neuenheim revanchiert sich für das 16:15 von damals und gewinnt mit 29:18 – der HRK nimmt im besten Fall einen Bonuspunkt und eine Portion Selbstvertrauen für das Schlüsselspiel gegen den BRC mit.
TSV Handschuhsheim – Berliner RC
Zum Abschluss des Rugby-Jahres öffnet der „Löwenkäfig“ noch einmal die Tore – und das Programm könnte kaum klassischer sein: Der TSV Handschuhsheim, immer irgendwo zwischen Titelanspruch und Selbstzweifel, empfängt den Berliner RC, für den inzwischen jeder einzelne Zähler im Kampf gegen den Abstieg Gold wert ist. Kalte Luft und ein Klub, der seinen Fans Glühwein statt Latte Macchiato empfiehlt – der Rahmen für einen ehrlichen Rugby-Nachmittag steht.
Beim TSV fasst Pressesprecher Moritz Bayer die Lage gewohnt nüchtern zusammen: „Die Kaderlage ist unverändert: dünn, aber machbar, und wir müssen eben durch.“ Luxuskader sieht anders aus, aber das Ziel bleibt ambitioniert – und glasklar: „Unser Ziel sind fünf Punkte und ein Heimsieg zum Jahresabschluss.“ Nach dem Nervenkrimi gegen München, den die Löwen in letzter Sekunde für sich entschieden, weiß man, wie dünn der Grat zwischen spektakulär und selbstzerstörerisch verlaufen kann.
Bayer spart nicht mit Selbstkritik. Die Grundlagen stimmen: „Standards, offenes Spiel und mit leichten Abzügen das Kickspiel waren in Ordnung.“ Das eigentliche Problem liegt woanders: „Woran wir arbeiten müssen, ist ganz klar die Chancenverwertung und die Cleverness.“ Gegen München habe man deutlich gesehen, „dass wir für unsere Punkte oftmals deutlich mehr Körner lassen mussten, als es dann die Gegner gegen uns mussten.“ Genau da will der TSV ansetzen: effizienter werden, die eigenen Phasen besser zu Ende spielen – und nicht jeden Angriff mit maximalem Herzfrequenztest bezahlen.
Gleichzeitig weiß man in Handschuhsheim sehr genau, was da aus Berlin anreisen wird. „Wir sind guter Dinge, den gewünschten Erfolg holen zu können“, sagt Bayer, schiebt aber sofort nach, dass man „physische und kämpferische Berliner“ erwarte, „für die jeder Punkt zählt.“ Es ist die Konstellation, die dieses Spiel so interessant macht: Hier ein Heimteam mit Fünf-Punkte-Plan und latentem Anspruch, dort ein Tabellenkellerkind, das nach dem unglücklichen Einbruch gegen Germania List dringend ein Signal braucht. Bayers Fazit klingt wie eine Einladung: „Eigentlich kann man sich auf ein geiles Spiel freuen, in dem niemand was geschenkt bekommt.“Und für alle, denen auf der Tribüne der Boden zu sehr nach Dezember riecht, hat der TSV noch eine pragmatische Bitte: „Es gibt neben Kaffee auch Glühwein zum Wärmen, wir bitten alle Fans, Tassen mitzubringen. Umweltschutz, einfacher für uns.“ Mehr Heimspielflair geht kaum.
Der Berliner RC reist mit der Erfahrung einer Saison an, in der man oft nah dran war – und doch mit leeren Händen dastand. Der Auftritt gegen Germania List, als eine satte Führung im zweiten Durchgang noch aus der Hand gegeben wurde, steht sinnbildlich für den bisherigen Verlauf. Coach Ares van Look weiß, dass im „Löwenkäfig“ keine Geschenke verteilt werden. Man erwarte einen „traditionell heimstarken TSV mit einer starken Dritten Reihe“, betont er – genau jenem Mannschaftsteil, der in der Liga seit Jahren ein Markenzeichen der Handschuhsheimer ist.
Der Plan der Berliner ist entsprechend klar umrissen: „Wir wollen unser System über 80 Minuten spielen und die kleinen Fehler abstellen“, so van Look. Gerade diese kleinen Unsauberkeiten – Undiszipliniertheiten, unnötige Straftritte, überhastete Entscheidungen – haben dem BRC in dieser Hinrunde immer wieder das Genick gebrochen. Das Ziel für diesen Samstag formuliert er unmissverständlich und ohne große Poesie: „Ziel muss es klar sein, Punkte mitzunehmen.“
Prognose: Handschuhsheim geht mit dem Anspruch eines Fünf-Punkte-Sieges in dieses Spiel, weiß aber genau, dass ein verzweifelter Gegner aus dem Tabellenkeller mitunter unangenehmer sein kann als ein Favoritenduell. Der TSV hat die Qualität, um Berlin im offenen Spiel weh zu tun – vor allem, wenn die Dritte Reihe wieder so präsent ist wie gewohnt. Der BRC bringt hingegen Physis, Kampfgeist und den Druck der Tabelle mit. Wenn Berlin es schafft, 80 Minuten am eigenen System festzuhalten und die zweite-Halbzeit-Einbrüche abzustellen, ist ein Defensivbonus im Bereich des Möglichen.
Am Ende spricht jedoch der Heimvorteil, die Struktur und die individuelle Klasse leicht für den TSV.
Handschuhsheim verabschiedet sich mit einem hart erarbeiteten, aber verdienten Sieg in die Winterpause – 32:20, fünf Punkte für den TSV, ein Bonuspunkt und ein kleiner Hoffnungsschimmer für den BRC.





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