Dritte Halbzeit - Frankfurter Gala, Löwen im Rausch, Klub im Pech
- Rugby-News Team
- 7. Dez.
- 11 Min. Lesezeit
Der 10. Spieltag der Rugby-Bundesliga war zugleich der erste Spieltag der Rückrunde – und als letzter voller Spieltag vor der langen Winterpause ein atmosphärisch ungewohnter Schlusspunkt. In Hannover spielte Frankfurt eine zweite Halbzeit, die selbst der Meistertrainer zur besten seiner Amtszeit erklärte, in Handschuhsheim gerieten die Löwen gegen einen tapferen, aber vom Verletzungspech verfolgten BRC in einen selten gesehenen Flow. Am Harbigweg setzte die RGH ein lautstarkes Lebenszeichen im Playoff-Rennen, während der HRK in Neuenheim zum zweiten Mal in Folge in der Schlussminute um den verdienten Lohn gebracht wurde. Luxemburg stemmte sich mit Notkader und viel Ballbesitz gegen effiziente Münchner – und geht wie der Berliner RC mit mehr Fragen als Antworten in die Winterpause.

TSV Handschuhsheim – Berliner RC 45:3
Löwen im Flow – und ein Berliner Team, das trotzig zusammenrückt
Im „Löwenkäfig“ stand am Ende ein deutlicher Spielstand auf der Anzeigetafel – 45:3 für den TSV Handschuhsheim. Doch wer nur das Ergebnis liest, verpasst einen Teil der Geschichte. Der Berliner RC lieferte über weite Strecken ein physisch respektables Auswärtsspiel ab, verlor aber in den entscheidenden Momenten an Präzision – während der TSV eine seiner reifsten Saisonleistungen zeigte.
BRC-Kapitän Mathis Blume beschrieb den Auftakt aus Berliner Sicht als durchaus vielversprechend. „Wir sind konzentriert und mit guter Energie in die ersten Minuten gestartet“, sagte er. Das Phasenspiel funktionierte zunächst, man arbeitete sich mehrfach tief in die Handschuhsheimer 22 vor. „Aber gegen die starke Ruck-Verteidigung der Löwen konnten wir den Druck nicht dauerhaft aufrechterhalten“, so Blume. Was die Partie aus Berliner Sicht prägte, war ein wiederkehrendes Muster: „Wir waren einige Male tief in ihrer 22, haben aber nichts Zählbares mitgenommen.“
Erschwerend kam eine frühe Verletzungsserie hinzu. „Dass wir schon in der ersten Halbzeit drei verletzungsbedingte Ausfälle hatten, hat die Aufgabe natürlich nicht leichter gemacht“, sagte Blume. Auch TSV-Pressesprecher Moritz Bayer wünschte den betroffenen Spielern ausdrücklich gute Besserung – zwei Berliner waren bei einem Tackling mit den Köpfen heftig aneinandergeraten, einer musste genäht werden, beide konnten später immerhin wieder stehen und laufen.
Sportlich setzte sich dennoch die klare Handschuhsheimer Linie durch. „Zum Jahresabschluss haben wir eine der bisher besten Saisonleistungen gebracht und auch in der Höhe verdient gewonnen“, fasste Bayer zusammen. Ausschlaggebend war zunächst die Dominanz in den Standards: „Wir haben die Gassen auf beiden Seiten kontrolliert, unsere ersten drei Versuche sind alle über das Paket gefallen.“
Dazu kam ein intelligentes Spiel in der Hintermannschaft. „Ausschlaggebend war ein gutes Kickspiel von Benni Müssig auf Schluss“, so Bayer. Immer wieder setzte der TSV den BRC mit hohen Bällen und konsequentem Kickchase unter Druck. Besonders auffällig: die beiden Außendreiviertel. Der erst 18-jährige Julius Diawara war „überragend“, wie Bayer betonte – stark im Kickchasing, gefährlich bei jedem Ballkontakt, und in der zweiten Halbzeit mit einem eigenen Versuch belohnt. Auf der anderen Seite ackerte Marius de Giacomoni „unermüdlich überall“ und krönte seine Leistung mit einem 70-Meter-Solo kurz vor Schluss.
Dass das Ergebnis höher aussieht, als es der reine Schlagabtausch andeutet, betonte Bayer ausdrücklich.
„Berlin war körperlich absolut auf der Höhe, das Ergebnis täuscht da in der Höhe“, sagte er. Der BRC setzte immer wieder Nadelstiche, vor allem über die Ecken und den Innen, die mehrfach gefährlich durchbrachen. Doch genau in diesen Phasen zeigte sich die Handschuhsheimer Reife: Die Druckmomente wurden mit disziplinierter Verteidigung überstanden, im Gegenzug „aus allen Rohren gefeuert“.
Im Zentrum des Löwenspiels stand einmal mehr Jaco Otto. Der Südafrikaner holte nach Bayers Zählung „sieben Strafkicks am offenen Gedränge“ – eine Zahl, die man „in der Frequenz selten auf deutschen Rugbyplätzen sieht“. Zusammen mit Kapitän Justin Renc, der mit harten Tackles voranging, sorgte Otto dafür, dass der TSV gefühlt „75 Prozent oder mehr in der gegnerischen Hälfte“ verbrachte. Die Feldüberlegenheit, gepaart mit der gesteigerten Effizienz – nur drei klare Chancen ließ man liegen – machte am Ende den Unterschied.
Für Berlin blieb am Ende nur der frühe Straftritt, aber doch mehr als nur Frust. Blume hob die Leistung des Nachwuchs-Props Hendrik Mannheim hervor, der „mit harten Tackles, robusten Carries und bemerkenswerter Präsenz“ auf sich aufmerksam machte. Die Stimmung im Team sei nach neun Niederlagen in Folge „natürlich nicht euphorisch“, sagte der Kapitän, „aber genau diese Serie schweißt uns zusammen“. Man wisse sehr genau, woran zu arbeiten sei: isolierte Carries auf diesem Niveau nicht mehr zuzulassen, die Räume, die man sich durch strukturierte Phasen erarbeitet, konsequenter zu attackieren und an der Fitness „intensiv weiter zu feilen“. Für die Winterpause gebe es einen klaren Plan – „ob er Früchte trägt, wird sich im März zeigen“.
Auch in Handschuhsheim blickt man optimistisch nach vorne, zumal der Nachwuchs deutlich Zeichen setzte. Neben Diawara überzeugte der eingewechselte Scrumhalf Ferdinand Weixelbaumer – ein weiteres Eigengewächs, das derzeit in Neuseeland zur Schule geht. Er brachte „unglaubliche Ruhe am Ball“, verteilte präzise Pässe und nutzte schließlich selbst eine Lücke zu einem Soloversuch. „Um den Nachwuchs muss man sich keine Sorgen machen“, lautete Bayers Fazit.
So geht der TSV mit einem klaren Heimstatement in die Pause, während der BRC auf der Ergebnistafel leer ausgeht – aber nicht ohne Anhaltspunkte, an denen sich über den Winter arbeiten lässt. Der Klassenunterschied am Ende von 80 Minuten ist deutlich, doch in der Art, wie Berlin trotz Rückschlags und Verletzungen weiterspielte, steckt zumindest ein Ansatz von trotzigem Zusammenhalt, auf den sich eine Rückrunde aufbauen lässt.
RC Luxembourg – München RFC 14:23
Disziplin schlägt Ballbesitz
Im grauen Dezemberlicht von Luxemburg lieferten sich der RC Luxembourg und der München RFC ein Spiel, das eher über Arbeit als über Glanz entschieden wurde. Am Ende setzten sich die Gäste mit 23:14 durch – weil sie mit wenig Ballbesitz auffallend effizient umgingen und in der eigenen 22 kaum etwas zuließen.
Luxemburgs Trainer Antoine Alric haderte weniger mit dem Gegner als mit den eigenen Rahmenbedingungen – ohne sich dahinter zu verstecken. „Wir hatten grundsätzlich die Möglichkeit, dieses Spiel zu gewinnen“, sagte er. „Aber mit 25 Ausfällen, verletzungsbedingt und durch Abstellungen für die Nationalmannschaft, müssen wir realistisch bleiben.“ Trotzdem brachte seine Mannschaft genug Qualität auf den Platz, um München phasenweise einzuschnüren.
Davon berichtet auch Münchens Coach Alan Moughty. „Wie erwartet war es ein hartes, sehr körperbetontes Spiel, aber die Jungs haben es extrem gut gemanagt“, sagte der Ire. „Luxemburg hatte viel Ballbesitz und hat uns stark unter Druck gesetzt. Aber unsere Disziplin und unsere Verteidigung waren sehr gut und haben sie immer wieder vom Punkten abgehalten.“ München stand tief, verteidigte geduldig – und wartete vorne auf die richtigen Momente.
Weil der MRFC in Luxemburgs 22 aber lange nicht so kaltschnäuzig war wie eine Woche zuvor im Löwenkäfig, blieb es zunächst eng. „Wir waren in ihrer 22 nicht so effizient wie gegen den TSV“, räumte Moughty ein. Dennoch gingen die Bayern mit einer 10:0-Führung in die Pause – der Lohn dafür, dass sie ihre wenigen Chancen konsequent nutzten, während Luxemburg aus viel Aufbauarbeit zu wenig Zählbares machte.
Nach dem Seitenwechsel bot sich ein ähnliches Bild: Luxemburg arbeitete sich immer wieder in die Hälfte der Gäste, München konterte mit Struktur. „In der zweiten Halbzeit war es im Grunde mehr vom Gleichen“, so Moughty. „Aber unsere Effizienz in ihrer Hälfte wurde deutlich besser – wir hatten nur fünf Eintritte in ihre 22, haben aber drei Mal Punkte mitgenommen.“ Genau diese Klarheit im Abschluss machte am Ende den Unterschied, auch wenn die Gastgeber mit zwei Versuchen noch einmal zurückkamen und die zweite Halbzeit faktisch für sich entschieden.
Für den RC Luxembourg bleibt ein Nachmittag, der die Gemengelage der gesamten Hinrunde bündelt. „Wir schließen die Hinrunde mit elf Punkten ab, es hätten mindestens zehn mehr sein müssen“, bilanzierte Alric ungewohnt scharf. „Wir haben uns selbst in eine schwierige Situation gebracht, aus der wir uns nur aus eigener Kraft befreien können.“ Die Winterpause, so hofft er, werde „allen guttun“.
In München hingegen überwiegt die Erleichterung, einen Pflichtauftritt unter schwierigen Bedingungen sauber erledigt zu haben. „Insgesamt bin ich extrem glücklich mit den Jungs und froh, dass wir den Sieg vor der wohlverdienten Winterpause geholt haben“, sagte Moughty. Luxemburg geht mit Sorgen ins neue Jahr, München mit dem Gefühl, sich im Tabellenmittelfeld endgültig etabliert zu haben.

RG Heidelberg – SC Germania List 40:27
Orange Hearts mit Statement-Sieg – und einer Botschaft an die Liga
Am Harbigweg bekamen die Zuschauer genau das, was viele sich im Vorfeld erhofft hatten: ein schnelles, technisch anspruchsvolles Spiel zweier Mannschaften, deren Hintermannschaften vor 7er-Tempo nur so strotzten. Die RG Heidelberg gewann am Ende mit 40:27 gegen den SC Germania List – in einer Partie, die mehr war als nur ein weiterer Heimsieg. Für die RGH war es ein Statement in Richtung Liga, für Germania ein Beleg dafür, dass man auch in der Niederlage konkurrenzfähig ist.
RGH-Coach Gareth Jackson begann seine Analyse mit einem Lob an beide Seiten. „Auf diesem tiefen Platz so schnell und temporeich zu spielen, war eine echte Leistung von beiden Teams“, sagte er. Perfekt sei seine Mannschaft dabei keineswegs gewesen: „Uns fehlen eine größere Anzahl von Spielern.“ Gerade im Sturm habe man improvisieren müssen, „aber unsere Stürmer haben eine Lösung gefunden, ebenso wie unsere Verteidiger“. Über weite Strecken gelang es der RGH, Germania vom eigenen Malfeld fernzuhalten.
Der Einschnitt kam aus Jacksons Sicht, als die Gäste im zweiten Durchgang umstellten. „Wir haben Germania in Schach gehalten, bis sie Niklas Koch und Felix Hufnagel eingewechselt haben – dann hat sich das Momentum komplett gewendet“, so der Engländer. In dieser Phase kam List mit wuchtigen Angriffen zurück und legte die Versuche, die am Ende zumindest den Offensivbonus sicherten. Johannes Augspurger, der Coach der Germanen, bestätigte den Eindruck eines Spiels mit zwei Gesichtern: „Wir waren im Sturm dominant und sind mit drei Punkten Führung in die Halbzeit gegangen. Dann hatten wir wieder diesen Einbruch, und die RGH hat zwei Mal hintereinander gelegt. Am Ende waren sie einfach ein bisschen cleverer.“
Trotz der Niederlage sah Augspurger viel Positives. Der Platz sei „sehr tief“ gewesen nach den vielen Spielen, „trotzdem war es ein sehr schönes, schnelles Spiel, vor allem von beiden Hintermannschaften – da haben man auf beiden Seiten die vielen Siebener-Jungs gesehen“. Mit dem Offensivbonus und der Gesamtbilanz der Hinrunde könne man in Hannover leben: „Wir sind mit dem fünften Platz auf jeden Fall zufrieden. In der Rückrunde haben wir fast nur noch Heimspiele – mal sehen, ob da es da noch den einen oder anderen Tabellenplatz nach oben geht.“
In Heidelberg hingegen war nach dem Schlusspfiff nicht nur Erleichterung, sondern auch Stolz zu spüren – und Jackson formulierte das ungewöhnlich deutlich. „Die Spieler, denen wir in den letzten Wochen eine Chance gegeben haben, haben sie genutzt. Darauf bin ich sehr stolz“, sagte er. „Die RGH hat Spirit.“ Dann folgte ein Seitenhieb in Richtung Umfeld: „Der RBA-Präsident hat uns gesagt, wir würden absteigen. Andere Teams dachten, wir geben uns geschlagen und werfen hin. Aber wir haben einen Weg gefunden.“
Der Trainer erinnerte an die jüngere Vergangenheit, in der die Orange Hearts noch als Prügelknabe galten. „Nach einer Saison, in der eine 179:0-Niederlage stand, fahren diese Spieler jetzt regelmäßig Siege ein – darauf kann man stolz sein“, betonte Jackson. Dieses Kompliment richtete er ausdrücklich nicht nur an seine Mannschaft, sondern auch „an das Management und die vielen Freiwilligen“, die den Kurswechsel mitgetragen hätten.
Sportlich bleibt festzuhalten: Die RG Heidelberg setzt sich im oberen Tabellendrittel fest, Germania List nimmt einen Zähler mit und bleibt mit Blick auf die Rückrunde in Lauerstellung. Emotional aber war dieser Nachmittag vor allem eines – eine Rückmeldung aus dem Harbigweg, dass man die RGH im Rennen um die Playoffs nicht mehr aus Gewohnheit aus der Gleichung streichen sollte.
Hannover 78 – SC Frankfurt 1880 0:57
Der Meister setzt ein Ausrufezeichen – perfektes Auswärtsfinale
Hannover 78 hatte sich viel vorgenommen. Zum Jahresabschluss wollte der Traditionsklub dem ungeschlagenen Meister aus Frankfurt zumindest das Leben schwer machen, vielleicht sogar einen Bonuspunkt erzwingen. Am Ende stand jedoch ein Resultat, das deutlicher kaum ausfallen konnte: 0:57 aus Sicht der Gastgeber – und ein Auftritt der Hessen, den ihr Trainer später als eine Art Referenzleistung einordnen sollte.
Dabei war von Klassenunterschieden in den ersten 40 Minuten nur wenig zu sehen. Hannover verteidigte beherzt, hielt das eigene Feld lange sauber und setzte im offenen Spiel immer wieder Akzente. Frankfurt brauchte Geduld, um die Abwehrketten zu knacken, und ging „nur“ mit 14:0 in die Pause. „Die erste Halbzeit war von beiden Seiten sehr konkurrenzfähig“, sagte 1880-Coach Byron Schmidt. Hannover arbeitete hart, das Publikum am Platz an der Stammestraße sorgte für den passenden Rahmen, der tiefe, aber solide Platz tat sein Übriges zu einem klassischen Dezemberduell.
Was dann nach dem Seitenwechsel folgte, beschrieb Schmidt ohne große Zurückhaltung. „Die zweite Halbzeit war in meinen acht Jahren als Trainer in Frankfurt wahrscheinlich unsere besten 40 Minuten“, sagte er. „Es war herausragendes Rugby. Alles, worüber wir taktisch und in der Ausführung gesprochen hatten, hat funktioniert.“ Aus einem engen Spiel wurde innerhalb kurzer Zeit eine Demonstration: Die Frankfurter erhöhten Tempo und Präzision, zogen ihre Laufwege konsequent durch und legten Versuch um Versuch.
Offensiv griffen die Automatismen, defensiv blieb die Null stehen. Dass Frankfurt am Ende mit 57:0 gewann – Schmidt musste auf dem lauten Rückreisebus kurz überlegen ob es nicht doch 59:0 war – ist mehr als nur ein weiteres deutliches Ergebnis. Es war ein Statement an die Liga, dass der Meister auch im neunten Spiel nicht nachlässt, sondern den eigenen Anspruch hochhält. „Ich bin extrem stolz, ein großartiges Ergebnis gegen ein wirklich gutes Hannoveraner Team“, so der Coach. „Es war ein phänomenaler Tag.“
Hannover 78 bleibt nach diesem Nachmittag das unbequeme Gefühl, 40 Minuten lang auf Augenhöhe gewesen zu sein und dann vom Tempo des Meisters überrollt worden zu sein. Frankfurt hingegen geht mit der Gewissheit in die Winterpause, nicht nur Tabellenführer, sondern derzeit auch der klare Taktgeber der Liga zu sein.
SC Neuenheim – Heidelberger RK 27:21
Klub verpasst den Coup – und verliert erneut in der Schlussminute
Am Museumsplatz war vieles angerichtet für eine kleine Derby-Sensation. Über weite Strecken nahm der Heidelberger RK dem favorisierten SC Neuenheim den Schneid ab – und stand am Ende doch wieder mit leeren Händen da. Das 21:27 aus Sicht des „Klubs“ fügt sich ein in eine Hinrunden-Erzählung, in der der Außenseiter mehrfach kurz vor einem großen Ausrufezeichen stand und dann in der allerletzten Szene stolperte.
Trainer Steffen Liebig brachte die Gemengelage nüchtern auf den Punkt: „Wenn man von der 39. Minute bis zur letzten Aktion führt, kann man mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein.“ Wie schon in der Vorwoche am Harbigweg, als der HRK bei der RGH einen möglichen Sieg und Bonuspunkte in den Schlussminuten verspielte, lief auch dieses Derby unter der Überschrift verpasster Chancen. „Unterm Strich haben wir aus den letzten beiden Spielen nur zwei statt neun definitiv möglichen Punkten geholt – jeweils in der letzten Minute den Sieg verloren beziehungsweise die Chance zum Sieg nicht genutzt“, bilanzierte Liebig.
Besonders schmerzhaft ist aus Klub-Sicht der Blick auf den entscheidenden Versuch Neuenheims. Liebig verweist auf Video-Bilder: „Wenn man auf dem SCN-Instagram-Video sieht, wie vor dem entscheidenden Versuch eine klare Obstruction durch die 13 vorliegt und der getackelte Spieler ohne den Ball zu releasen wieder aufsteht und den Versuch legt, ist das natürlich besonders bitter.“ Gleichwohl will der Trainer die Niederlage nicht auf eine Szene reduzieren. „Wir dürfen uns nicht beschweren – wir haben am Ende das Heft mit dummen Fehlern selbst aus der Hand gegeben“, sagt er.
Die Liste der verpassten Gelegenheiten ist lang: „Wir haben mindestens zwei klare Einlaufchancen vergeben und zwei relativ mittige Straftritte daneben gekickt.“ Dazu kamen drei Gelbe Karten, die den HRK immer wieder schwächten. „Drei Gelbe sind insgesamt zu viel, vor allem die letzte in der Schlussphase“, so Liebig. Sie seien Ausdruck eines „hitzigen Spiels“, zeigten aber zugleich, „dass wir uns von keinem Team in der Bundesliga etwas gefallen lassen“.
Dass die Enttäuschung so groß ist, hat auch mit der eigenen Leistung zu tun. Taktisch, findet Liebig, sei der Plan weitgehend aufgegangen. „Wir haben dem SCN mit unserer Einstellung und purem Kampf den Schneid abgekauft – so wie geplant.“ Über lange Phasen wirkte Neuenheim schwerer als gewohnt, musste sich an der Physis und Entschlossenheit des Tabellenkellers abarbeiten. „Insgesamt kann sich der SCN mit dem Sieg glücklich schätzen“, lautet Liebigs Fazit. „Wir müssen abgezockter werden und daraus lernen.“
Zwischen all der Frustration setzt der Coach auch bewusst positive Marker. „Positiv ist, dass mit Ben Tubach ein weiterer 18-Jähriger auf der ersten Reihe sein Debüt gefeiert hat“, sagt er – ein Signal dafür, dass der Klub seinen eingeschlagenen Weg mit jungen Spielern fortsetzt. Auf der anderen Seite stehen neue Sorgen: „Negativ ist, dass sich der eingewechselte Strauss verletzt hat und gegen den BRC ausfällt. Ansonsten hoffen wir, dass alle fit werden.“
Denn der Blick richtet sich bereits nach vorne. Nach zwei knapp verlorenen Schlachten gegen Teams aus der oberen Tabellenhälfte formuliert Liebig die Erwartung ohne Umschweife: „Ein Sieg gegen den BRC zum Abschluss ist ein Muss.“ Neuenheim nimmt die Punkte und kann tief durchatmen. Der HRK nimmt aus diesem Derby vor allem eine Erkenntnis mit: In dieser Form kann er jedem Gegner weh tun – nur die letzten Minuten müssen endlich ihm gehören.





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