top of page

Die Zweite Reihe - Süd/West

  • Rugby-News Team
  • vor 1 Tag
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 1 Tag

Wenn man die Reise in den Süden wagt und den Blick von den Schlamm-Schlachtfeldern des Nordens in die südlichen Gefilde der deutschen Rugby-Landschaft wendet, so scheint man eine andere Sportart zu betrachten. Wo im Norden um jeden Meter Boden gerungen wird wie in einem Grabenkampf, zelebriert die 2. Bundesliga Süd/West in der Saison 2025/2026 den Rausch der Geschwindigkeit.


Quelle: Rugby Deutschland
Quelle: Rugby Deutschland


Es ist eine Liga der Exzesse. Ergebnisse jenseits der 50-Punkte-Marke sind hier keine statistischen Ausreißer, sondern die Norm. Doch dieser offensive Glanz darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich im Süden eine Zweiklassengesellschaft manifestiert hat, deren Schere – gemessen in Tabellenpunkten und Versuchen – weit geöffnet ist. Zur Winterpause lohnt sich der analytische Blick auf eine Staffel, die zwischen Champagner-Rugby und existenzieller Abwehrnot pendelt.


Das Duell der Antipoden: Schwarzwälder Beton gegen hessischen Sturm

An der Spitze der Tabelle thront ein Zwillingspaar, das ungleicher kaum sein könnte. Der RC Rottweil und der RK Heusenstamm (beide 30 Punkte) dominieren die Liga nach Belieben, doch sie tun dies mit fundamental unterschiedlichen Philosophien.


Der RC Rottweil ist das Bollwerk dieser Liga. Die Schwarzwälder haben ihre Identität in der Defensive gefunden. Nur 100 Gegenpunkte in sieben Spielen sind ein Wert, der von einer operativen Disziplin zeugt, die man auf diesem Niveau selten findet. Ihr Meisterstück lieferten sie Mitte September ab, als sie den Mitkonkurrenten Heusenstamm mit 40:7 deklassierten. Rottweil spielt physisch, kompromisslos und direkt. Doch diese Maschinerie stottert, wenn der Gegner das Spiel verweigert oder chaotisch agiert. Wie sonst ist das 29:29-Unentschieden beim Schlusslicht Walferdange zu erklären? Es ist das Symptom einer Mannschaft, die sich ihrer Sache ein wenig zu sicher ist.


Der RK Heusenstamm hingegen ist die Antithese dazu. Die „Füchse“ haben sich der totalen Offensive verschrieben. 350 erzielte Punkte in acht Spielen – das ist ein Schnitt von fast 44 Zählern pro Partie. Heusenstamm verwaltet keine Ergebnisse, sie überrollen den Gegner. Das 81:3 gegen Neckarsulm oder das 52:22 gegen den HTV waren harte Spiele. Nach der Klatsche in Rottweil hat sich das Team gefangen und wirkt nun wie eine Naturgewalt, die nur darauf wartet, im Rückspiel die Verhältnisse geradezurücken.


Die akademische Unbekümmertheit und ihre Grenzen

Hinter diesem Duo infernale kämpft StuSta München (Platz 3, 22 Punkte) um den Anschluss. Die Studentenstadt ist das vielleicht unterhaltsamste Team der Republik. Ihr Spiel ist ein einziges „Vabanque“: Schnell, risikoreich, technisch versiert. Ein 76:21 gegen Walferdange oder ein 71:11 gegen Neckarsulm zeigen, wozu dieser „Champagne-Rugby“-Ansatz fähig ist. Doch StuSta leidet unter der klassischen Krankheit vieler akademischer Teams: Wenn die Physis die Technik bricht, fehlt der Plan B. Die Niederlagen gegen die Top-Teams und das verlorene Derby gegen Unterföhring offenbaren eine defensive Naivität, die den Sprung an die absolute Spitze verhindert.


Der Nachbar RC Unterföhring (Platz 4, 21 Punkte) wirkt dagegen wie der vernünftige, fast biedere große Bruder. Weniger Spektakel, mehr Struktur. Der 33:29-Sieg im Derby gegen StuSta war der Triumph des Systems über das Chaos. Unterföhring gewinnt die Spiele, die man gewinnen muss, und verliert jene, in denen die individuelle Klasse des Gegners (Heusenstamm, Rottweil) zu groß ist. Eine solide Saison, der jedoch das Überraschungsmoment fehlt.


Das Rätsel Rheinland und die graue Maus Kurpfalz

Eine Sonderstellung in der Analyse nimmt der RSV Köln (Platz 5, 21 Punkte) ein. Die Rheinländer sind das psychologische Phänomen der Liga. Wie bewertet man eine Mannschaft, die dem ungeschlagenen Tabellenführer Rottweil die einzige Saisonniederlage beibringt (29:28), sich aber vom Tabellensechsten HTV mit 15:54 im eigenen Stadion demontieren lässt? Köln ist eine „Diva“. An guten Tagen, getragen von der Emotion des Heimvorteils, können sie jeden schlagen. An schlechten Tagen implodiert die Struktur völlig. Diese Volatilität macht sie zum gefährlichsten Gegner für die Favoriten, aber auch zum eigenen größten Feind im Kampf um eine bessere Platzierung.


Der Heidelberger TV (Platz 6, 11 Punkte) hingegen fristet das Dasein der klassischen „Grauen Maus“. Technisch gut ausgebildet – es ist schließlich Heidelberg –, fehlt es dem Kader an der physischen Durchschlagskraft für die oberen Ränge. Das 54:15 gegen Köln war ein seltener Ausbruch; der Alltag besteht aus ehrenvollen Niederlagen gegen die Großen und Pflichtsiegen gegen die Kleinen.


Der Existenzkampf im Keller: Rollentausch am Abgrund

Der Tabellenkeller der Süd/West-Staffel bietet weit mehr als nur den Kampf gegen den Abstieg; er ist eine Studie über verpasste Chancen und den harten Aufprall der Realität.


Die Neckarsulmer Sport-Union (Platz 8, 2 Punkte) trägt nun die Rote Laterne – und sie leuchtet alarmierend hell. Mit null Siegen aus sieben Spielen und einer Defensive, die statistisch kaum zu halten ist, steht die NSU mit dem Rücken zur Wand. Die Hoffnung, die „richtigen“ Spiele zu gewinnen, zerschellte am 7. Spieltag: Im Schicksalsspiel auf eigenem Platz unterlag man dem direkten Konkurrenten Walferdange in einem offensiven Schlagabtausch mit 36:40. Wer zu Hause 36 Punkte erzielt und dennoch verliert, hat kein Angriffsproblem, sondern ein strukturelles Defensiv-Dilemma. Für Neckarsulm wird die Luft dünn; ohne einen radikalen Kurswechsel droht der Anschluss gänzlich abzureißen.


Der Walferdange Rugby Club aus Luxemburg (Platz 7, 8 Punkte) hingegen hat den ersehnten Befreiungsschlag gelandet. Der Auswärtssieg in Neckarsulm war der Beweis, dass die Luxemburger in den entscheidenden Momenten liefern können. Walferdange ist das wohl paradoxeste Team der Liga: Sie trotzten dem Spitzenreiter Rottweil ein Unentschieden ab, verloren oft hoch, gewannen aber das Sechs-Punkte-Spiel gegen den direkten Abstiegskonkurrenten. Mit nun sechs Punkten Vorsprung auf den letzten Platz haben sie sich ein kleines Polster verschafft. Walferdange hat gezeigt, dass sie sportlich in diese Liga gehören – wenn sie die Konstanz finden, die ihr Potenzial verspricht.


Fazit: Die Frage der Nachhaltigkeit

Die 2. Bundesliga Süd/West hinterlässt zur Winterpause einen ambivalenten Eindruck. Sportlich ist das Niveau an der Spitze, insbesondere bei Heusenstamm und Rottweil, beängstigend hoch und kratzt an der Erstklassigkeit. Doch die Kluft zum Rest der Liga ist gigantisch.


Für die Rückrunde im Frühjahr 2026 fokussiert sich alles auf zwei Brennpunkte: Zum einen das gigantische Rückspiel um den Aufstieg zwischen Heusenstamm und Rottweil – Anarchie gegen Ordnung. Zum anderen der Überlebenskampf im Keller, in dem die Karten neu gemischt wurden. Walferdange hat mit dem Sieg in Neckarsulm ein starkes Signal gesendet und die Abstiegszone vorerst verlassen, während die Sport-Union dringend Antworten auf ihre defensiven Fragen finden muss, um nicht zur tragischen Figur der Saison zu werden.

Kommentare


bottom of page