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Dritte Halbzeit - Spitzenrugby in Heidelberg, Drama in München

  • Rugby-News Team
  • 16. Nov.
  • 7 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 17. Nov.

SC Neuenheim – Hannover 78 31:17

Es war als Standortbestimmung angekündigt – und genau das wurde es. Am Ende setzte sich der SC Neuenheim mit 31:17 gegen Hannover 78 durch, bleibt weiter ungeschlagen und marschiert Seite an Seite mit Frankfurt durch die Liga. Für 78 steht zwar eine Niederlage auf dem Zettel, aber eben auch die Gewissheit, dass man mit einem der Titelfavoriten über weite Strecken mithalten kann.



Neuenheim erledigte seine Hausaufgaben nüchtern und konsequent: körperlich stark, zielstrebig im Angriff, stabil in der Defensive. Immer wenn Hannover näher heranzukommen schien, hatten die Gastgeber eine Antwort parat und zogen wieder davon. Ein typischer Auftritt eines Teams, das weiß, dass der ganz große Härtetest erst noch kommt – im Topspiel gegen Frankfurt.


Auf Seiten der Gäste überwog trotz des Ergebnisses der Stolz. „Ich bin unglaublich glücklich mit den Jungs heute“, sagte 78-Coach Jarrod Saul. „Ja, wir haben verloren – aber wir konnten zeigen, wie stark wir mit Ball spielen können und wie solide wir verteidigen, wenn es nötig ist.“ Dass Hannover an diesem Tag personell kräftig improvisieren musste, machte die Leistung nicht kleiner. „Wir hatten zeitweise drei Backs auf den Positionen 6, 7 und 8 – und alle haben genau so performt, wie ich es gebraucht habe“, so Saul.


Der Trainer bezeichnete die Partie als eine Art halbes Testspiel, um Spieler auf ungewohnten Positionen auszuprobieren – und war beeindruckt von der Tiefe im Kader: „Ich bin super zufrieden. Besonders stolz bin ich auf unsere Eins, Zwei und Drei. Was sie für das Team gebracht haben, war eine glatte Zehn von Zehn.“ Zum Schluss fand Saul klare Worte: Er könne das nächste Spiel kaum erwarten und gratuliere dem SCN – „sie haben den Sieg verdient“.


In der Tabelle bestätigt der Nachmittag das Bild der letzten Wochen: Neuenheim bleibt der härteste Verfolger Frankfurts, Hannover 78 bleibt im Rennen um Platz drei. Und auch wenn die Punkte in Heidelberg bleiben, dürfte 78 aus diesem Spiel mehr mitnehmen als nur eine Busfahrt nach Hause – nämlich die Erkenntnis, dass Breite im Kader und Mut zur Rotation sich auch gegen einen Topfavoriten sehen lassen können.



München RFC – SC Germania List 32:34

Dieses Spiel war als richtungsweisendes Duell angekündigt – und genau das wurde es. Am Ende nahm Germania List mit einem 34:32-Auswärtssieg nicht nur vier ganz wichtige Punkte mit nach Hannover, sondern auch das Gefühl, in engen Spielen wieder zupacken zu können. München dagegen stand nach einem wilden Nachmittag mit leeren Händen da – und einer ordentlichen Portion Frust.


Dabei begann vieles nach Plan für die Gastgeber. „Wir haben früh geführt, nach einer richtig schön ausgespielten Gasse“, schilderte Münchens Trainer Alan Moughty. Doch der Vorsprung hielt nicht lange. Germania zeigte sich im ersten Durchgang eiskalt, nutzte seine Chancen und dominierte vor allem das Spiel mit dem Fuß. „Germania war im Kicking Game sehr klinisch und hatte in der ersten Halbzeit klar die Oberhand“, so Moughty.


Auf der anderen Seite mussten die Niedersachsen schon früh improvisieren. „Nach verletzungsbedingten Wechseln am Ende der ersten Halbzeit hatten wir starke Probleme, unsere Standards in den Griff zu bekommen“, erklärte Germania-Coach Stefan Mau. Genau in dieser Phase schlug München zu und drehte nach der Pause richtig auf: Drei unbeantwortete Versuche, Tempo, Druck, das Stadion wach – plötzlich sah alles nach einem Heimsieg aus.


Doch die Geschichte dieses Spiels wurde im letzten Viertel geschrieben. Germania warf „alles rein, was wir noch hatten“, wie Mau es formulierte. Der MRFC verteidigte lange mit viel Herz, kam aber in der Schlussminute doch noch entscheidend ins Rutschen. „Germania hat in der letzten Aktion noch einmal zugeschlagen“, berichtete Moughty – aus Münchner Sicht mit Beigeschmack. In der Entstehung habe es „einen klaren Vorball“ gegeben, der nicht geahndet wurde. „Das ist ein extrem frustrierender Weg, so ein Spiel zu verlieren“, sagte der Ire, der trotzdem fair blieb: Man dürfe „die starke Leistung von Germania, sich den Sieg zu sichern“, nicht kleinreden.


Denn die Gäste machten aus der letzten Gelegenheit alles: Versuch in der Ecke, schwieriger Kick an der Seitenlinie – und ihr Schlusskicker blieb, wie Mau zufrieden feststellte, „eiskalt“. Mit der erfolgreichen Erhöhung drehte Germania das Spiel endgültig und riss auf der Auswärtsbank die Arme hoch, während München fassungslos zusah, wie ein eigentlich gewonnen geglaubter Nachmittag durch die Finger rutschte.

In der Tabelle rückt Germania damit wieder näher ans Mittelfeld heran und sammelt Selbstvertrauen für den weiteren Abstiegskampf. München bleibt zwar im Rennen, verpasst aber den erhofften Befreiungsschlag. Für beide Teams bleibt dieser 7. Spieltag hängen – für die einen als Beweis, dass Kampfgeist Spiele drehen kann, für die anderen als Erinnerung daran, wie brutal Rugby sein kann, wenn es ganz am Ende noch einmal kippt.



RG Heidelberg – RC Luxembourg 45:5

Die RG Heidelberg bleibt die vielleicht schönste Überraschung dieser Saison. Mit einem 45:5 über den RC Luxembourg sichert sich die RGH nicht nur den nächsten klaren Heimsieg, sondern auch Platz drei in der Tabelle – ein Rang, den der Traditionsverein seit 2018 nicht mehr gesehen hat. Für alle, die es mit dem deutschen Rugby halten, ist das eine gute Nachricht: Die Orangenen sind zurück auf einem Niveau, das man in Heidelberg lange vermisst hat.


Schon früh war klar, in welche Richtung sich dieser Nachmittag bewegen würde. Luxembourg kassierte eine frühe Unterzahl und musste „65 Minuten mit 14 gegen 15 kämpfen“ – eine Aufgabe, die Trainer Antoine Alric später als „nahezu unlösbar“ bezeichnete. Doch selbst mit vollständiger Besetzung wäre es für die Gäste schwer geworden. „Wir haben heute gegen eine sehr starke Mannschaft der RGH gespielt, die uns in allen Aspekten des Spiels überlegen war“, so Alric. Besonders auffällig: die Weiterentwicklung der Heidelberger. „Ihre gezielten Verstärkungen haben ihnen in dieser Saison einen deutlichen Schritt nach vorne ermöglicht. Kompliment für das Niveau, das sie gezeigt haben.“


Tatsächlich wirkt die RGH 2025 wie eine andere Mannschaft: physisch robust, aber mit deutlich mehr Spielfreude, Struktur und Variabilität im Angriff. Die neuen Spieler fügen sich ein, statt allein im Rampenlicht zu stehen, und die „alten“ RGH-Kräfte scheinen sichtbar Spaß daran zu haben, wieder mit breiter Brust aufzutreten. Nach der schwierigen Vorsaison ist das fast so etwas wie ein Neustart – ohne großes Brimborium, aber mit klaren Resultaten.


Coach Gareth Jackson fand nach dem Spiel entsprechend warme Worte für sein Team: „Ich bin sehr stolz auf die Jungs – heute hat sich die erwartete Spielweise von RGH deutlich verändert. Wir waren hart und kompromisslos und haben ein neues Niveau unserer Fähigkeiten gezeigt.“ Dass es am Ende 45:5 heißt, ist Ausdruck dieser Mischung aus körperlicher Präsenz und mutigem Offensivrugby. Gleichzeitig vergaß Jackson nicht den Gegner: „Lob an Luxemburg, sie haben bis zum Schlusspfiff körperlich alles gegeben.“


Ein kleiner Wermutstropfen bleibt: Die RGH musste die Partie mit neuen Verletzungen bezahlen. „Unsere nächste Herausforderung ist es, diese Position bis Weihnachten zu halten, was angesichts der heutigen Verletzungen eine Herausforderung sein wird“, so Jackson. Der Lauf Richtung Winterpause wird also nicht einfacher – doch anders als im vergangenen Jahr hat die RGH inzwischen die Kaderbreite und das Selbstvertrauen, auch mit Rückschlägen umzugehen.


Unterm Strich steht ein Sieg, der mehr ist als nur vier Punkte: Er bestätigt, dass gezielte Verstärkungen, ein klarer Spielplan und ein intaktes Mannschaftsgefüge einen Traditionsklub wieder dorthin bringen können, wo ihn viele sehen wollen. Die RGH ist zurück im erweiterten Spitzenfeld – und das tut der ganzen Liga gut.



Berliner Rugby Club – SC Frankfurt 1880 5:55

Auf dem Papier war es das erwartbare Duell David gegen Goliath – nur dass Goliath in dieser Geschichte seit Wochen ungeschlagen durch die Liga marschiert. Am Ende setzte sich Frankfurt 1880 beim Berliner RC mit 55:5 durch und untermauerte einmal mehr seine Titelambitionen. Und doch erzählt dieses Spiel für beide Seiten eine etwas andere Geschichte, als es das nackte Ergebnis vermuten lässt.


Denn zunächst machte vor allem der Platz die Musik. „Wirklich harte Bedingungen, sehr nass und kalt“, fasste Frankfurts Trainer Byron Schmidt zusammen. Tief, matschig, rutschig – eher Schlammringen als Feinschmecker-Rugby. Genau das kam dem Underdog entgegen: Berlin begann mit viel Einsatz und Aggressivität, setzte in der Verteidigung körperliche Akzente und zwang Frankfurt zu ungewohnten Fehlern. Schmidt räumte ein, man sei „in der ersten Halbzeit vielleicht mit einigen Fehlerserien im Skill-Bereich etwas zu großzügig“ gewesen und habe den Gastgeber damit „vom Haken gelassen“.


Für den BRC war es dennoch ein kleiner Meilenstein. Trainer Ares van Look sprach von „einem harten Kampf unter schweren Bedingungen“ und ergänzte: „Ich bin super stolz auf die Jungs. Das war wahrscheinlich die beste erste Halbzeit, die wir bis jetzt gespielt haben diese Saison.“ Der Plan, es Frankfurt so unbequem wie möglich zu machen und die Partie lange offen zu halten, ging zumindest phasenweise auf. Besonders erfreulich für Berlin: Im Vergleich zum letzten Aufeinandertreffen kassierte man rund 40 Punkte weniger – in dieser Liga sind auch solche Schritte Teil von Entwicklung.


Natürlich bleibt der Blick nicht völlig verklärt. Van Look weiß, dass mehr drin gewesen wäre: „Es gibt ein, zwei Sachen, wenn wir die ein bisschen klüger ausspielen, dann kann man vielleicht noch ein, zwei Versuche legen und bestimmt auch noch ein, zwei verhindern.“ Genau diese Szenen sollen in den kommenden zwei Trainingswochen vor dem wichtigen Spiel gegen Germania List aufbereitet werden. Positiv hob der Coach die jungen Spieler hervor, die sich immer besser in die Mannschaft hineinarbeiten und zum ersten Mal auf diesem Niveau Verantwortung übernehmen: „Da kann man insgesamt sehr happy sein mit der Leistung.“


Frankfurt wiederum machte im zweiten Durchgang das, was eine Spitzenmannschaft macht: konsequent nachjustieren, Tempo anziehen, Chancen verwerten. Aus der zähen ersten Halbzeit wurde schließlich doch noch ein standesgemäßer Auswärtssieg. Schmidt zeigte sich am Endezufrieden: Trotz der äußeren Umstände habe man insgesamt „eine Leistung abgeliefert, mit der wir gut leben können“ – zumal sein Team in dieser Saison in der Bundesliga meist eher gegen die eigenen Ansprüche spielt als gegen den Gegner.


In der Tabelle bestätigt das Ergebnis die bekannten Fronten: Frankfurt bleibt mit der Maximalausbeute an der Spitze, Berlin wartet weiter auf den ersten Saisonsieg. Und doch war dieser 5:55-Nachmittag im Schlamm von der Sachtlebenstraße für den BRC mehr als nur die nächste Niederlage: ein kleiner Fingerzeig darauf, dass man gegen den Ligaprimus nicht nur Statist ist, sondern sich Schritt für Schritt an das Niveau heranarbeiten will – auch wenn der Weg dorthin noch lang und ziemlich matschig ist.

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