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Warum wir gegen den Scorebonus sind

  • Gastbeitrag
  • 22. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit

Ein Statement von RG Heidelberg, SU Neckarsulm, RC Leipzig und München RFC


Anmerkung der Redaktion: Auf Rugby-News.de wollen wir allen Seiten die Möglichkeit geben, ihre Argumente und Perspektiven ausführlich darzulegen. Das heutige Statement von RG Heidelberg, SU Neckarsulm, RC Leipzig und München RFC zur Ablehnung des Scorebonus bildet dabei einen wichtigen Beitrag zur laufenden Diskussion. Noch diese Woche wird ein weiterer Beitrag folgen, in dem die Befürworter des Scorebonus ihre Sicht der Dinge darstellen. Unser Ziel ist es, eine faire, transparente und sachliche Debatte über die Zukunft des deutschen Rugbysports zu ermöglichen.



Bei unserer Ablehnung des Scorebonus geht es zum einen formal um den Antrag und um die Abstimmung auf dem DRT. Zum anderen haben wir inhaltliche Gründe und halten den Scorebonus in seiner jetzigen Form nicht nur für das falsche Instrument, sondern auch für schädlich.


Vorab ein Hinweis: Es wird von interessierter Seite suggeriert, der Scorebonus sei bis zu unserem Antrag nie kritisch hinterfragt, diskutiert oder abgelehnt worden. Das ist nicht korrekt. Seit die Idee auf dem Tisch liegt, haben wir unsere Bedenken, in einem späteren Stadium unsere Ablehnung geäußert; nicht öffentlich, dafür im Vorstand des RBA.


Änderung der Geschäftsgrundlage

Zu unserem Antrag: Wir sehen im Scorebonus eine grundlegende Änderung der Geschäftsgrundlage. Würde

das System tatsächlich eingeführt, würden sich die Bundesliga, aber auch die Arbeit vieler Vereine grund­

legend verändern – unabhängig davon, wie gut die Jugendarbeit des betreffenden Vereins ist.\

Wir gehen davon aus, dass eine solch gravierende Änderung nicht einfach durch eine Änderung der Bundes-

ligarichtlinie eingeführt werden kann und auf dem DRT eine Zwei-Drittel-Mehrheit benötigt. Deshalb haben

wir das Schiedsgericht um eine Entscheidung gebeten.


Die juristische Grundlage

Konkret heißt es in nach § 5.10 der Ordnung des Rugby-Bundesligaausschusses (RBA), dass es zur Wirk-

samkeit eines Beschlusses oder Antrags einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedarf. Und weiter:


„Beschlussfassungen über diese Ordnungen, welche nicht Bestandteil dieser Satzung sind, obliegen den

jeweiligen Organen bzw. Ausschüssen und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Bestätigung durch 2/3-Mehr-

heit des DRT. Zu ihrer Änderung bedarf es einer Mehrheit von 2/3 der abgegebenen gültigen Stimmen durch

die Versammlungen der jeweiligen Organe sowie der Bestätigung durch 2/3-Mehrheit des DRT.“


Die grundsätzliche Bedeutung von Änderung am Spielbetrieb allgemein wird auch geregelt mit Satzung §

12.3 und schreibt ebenfalls eine Zwei-Drittel-Mehrheit vor.


Zwei-Drittel-Mehrheit? Fehlanzeige

Auf dem Deutschen Rugbytag in Heidelberg wurde über den Scorebonus abgestimmt. Es gab 570 Ja- und

421 Nein-Stimmen. Das sind, bei 991 Stimmen zum Zeitpunkt der Abstimmung, 57,52 Prozent Zustimmung,

also deutlich weniger als die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Und, die Anmerkung sei erlaubt: deutlich

weniger als die von interessierter Seite behaupteten 80 Prozent Zustimmung. Wie das alles zu bewerten ist,

muss nun das Schiedsgericht entscheiden. An Spekulationen darüber werden wir uns nicht beteiligen.


Inhaltliche Schwächen

Abgesehen von Verfahrens- und Regelfragen stören uns die großen inhaltlichen Schwächen des

­Scorebonus. Natürlich sehen wir das Problem der mangelnden Jugendarbeit in vielen Vereinen. Die Frage

ist doch, weshalb manche Vereine Energie und Geld in den Nachwuchs stecken und andere eben nicht. Es

sollte doch das natürliche Interesse eines jeden Clubs sein, eine eigene Jugend auszubilden.


Kommen wir konkret zum Scorebonus

Das höhere Ziel des Systems soll es sein, über die stärkere Einbindung des eigenen Nachwuchses das

Niveau der Bundesliga zu heben und langfristig eine wettkampffähige Nationalmannschaft aufstellen zu

­können. Dieses Ziel wird durch den Scorebonus nicht erreicht.


Wir sehen nicht, wie wir das sinkende sportliche Niveau der Bundesliga ohne Legionäre mittelfristig ver-

bessern können. Wobei wir hier nicht von hochbezahlten ausländischen Profis sprechen (die ohnehin nur

sehr rar gesät sind), sondern von Menschen, die wegen Arbeit oder Studium den Lebensmittelpunkt in eine

andere Stadt verlegen. Neben den sportlichen Aspekten ist es bislang so, dass ausländische Arbeitnehmer

und Studenten in Rugbystädten schnell in den Clubs Anschluss finden und ihrerseits Teil der Gemeinschaft

werden. Diese unbestrittene Integrationsleistung würde durch den Scorebonus zunichte gemacht.


Integration wird verhindert, Mobilität bestraft. Und teuer wird es auch.

Durch den Scorebonus in der aktuellen Form würden auch deutsche Spieler, die wegen Studium oder Arbeit

in eine andere Stadt wechseln, mit einem höheren Score bewertet, quasi bestraft. Das leuchtet uns nicht

ein. Es mag Vereine geben, deren Verantwortliche Zeit ihres Lebens am gleichen Ort und im gleichen Club

bleiben. Die Mehrheit der Menschen ist deutlich mobiler.


Zudem ist im Scorebonus in seiner aktuellen Form eine Art Ausbildungsvergütung für den Herkunfts­verein

vorgesehen, durch deren Zahlung der Score eines Spielers im neuen Club reduziert werden kann. Wie die

entsprechenden Gelder verteilt werden, ist dabei völlig unklar. Dazu kommt: Wohlhabende Vereine erlangen

einen ­unfairen Vorteil. Das lehnen wir als unsolidarisch ab.


Kurz: Der Scorebonus bestraft Mobilität, erschwert die Integration und bevorzugt finanzstarke Vereine.

Wenn wir jetzt noch über eine Professionalisierung der Bundesliga nachdenken, stünde der Scorebonus im

Widerspruch zur Freizügigkeit und der Freiheit der Wahl des Arbeitsplatzes innerhalb der EU.


Die Nationalmannschaft wird nicht profitieren

Auch die erhoffte Stärkung der Nationalmannschaft können wir nicht erkennen. Selbst Tier 1-Nationen

setzen auf Spieler mit ausländischen Wurzeln. Uns erscheint es fragwürdig, in Deutschland den entgegen-

gesetzten Weg zu gehen. Wie sollen in der Bundesliga Spieler ausgebildet werden, die auf internationalem

Niveau mithalten können, wenn selbst Top-Nationen das in der Breite nicht mehr hinbekommen?


Immer mehr Unterstützung aus der Rugby-Community

Seit unserem Antrag beim Schiedsgericht erfahren wir eine zunehmende Unterstützung von immer mehr

Vereinen. Das liegt auch daran, dass mehr und mehr Verantwortliche einmal ernsthaft durchrechnen, wo sie

heute mit dem Score­bonus stehen und vor allem, wo sie selbst unter den allerbesten Bedingungen in zehn

Jahren stehen würden. Das ist eine recht einfache Rechenoperation, die wir jedem ans Herz legen möchten.


Wir freuen uns auf einen weiteren sachlichen Austausch mit allen Beteiligten. So könnte ein modifizierter

Scorebonus, bei dem die Bewertung eines Spielers nach einer gewissen Zeit im neuen Verein angepasst

wird, eine Diskussion wert sein. Vorher aber warten wir auf die Entscheidung des Schiedsgerichts.

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