Ein belgischer Abend – und was er dem deutschen Rugby sagen will
- Rugby-News Team
- vor 5 Tagen
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Belgien bezwingt Namibia im WM-Qualifikationsturnier in Dubai – und zeigt, dass Europas zweite Reihe plötzlich Geschichte schreiben kann. Für Deutschland ist das mehr als nur eine ferne Randnotiz.

Es war kein Sieg, den man kommen sah. Und vielleicht war es genau deshalb ein Sieg, der hängen bleibt. In der flirrenden Hitze Dubais, im letzten Qualifikationsturnier für die Rugby-Weltmeisterschaft 2027, besiegte Belgien das favorisierte Namibia mit 22:15 – und stellte damit eine jahrzehntelange Ordnung auf den Kopf.
Namibia, viermal in Folge bei Weltmeisterschaften vertreten, galt als gesetzt. Belgien hingegen war der Gast, der eigentlich nur zum Lernen kam. Doch am Ende jubelten jene, von denen kaum jemand ein Wort erwartet hatte. Es war einer dieser Abende, an denen der Rugby-Kosmos spürte: Das Spiel verschiebt sich – leise, aber deutlich.
Zwischen Himmel und Hoffnung: Belgien auf dem Weg nach Australien
Mit dem Sieg steht Belgien plötzlich auf der Schwelle zu etwas, das vor kurzem noch undenkbar schien: der Qualifikation zur Rugby-Weltmeisterschaft 2027 in Australien. Noch ist der Weg nicht geschafft – das sogenannte Final Qualification Tournament in Dubai ist ein Viererturnier, in dem Belgien, Samoa, Brasilien und Namibia um den letzten freien WM-Platz ringen. Nur der Sieger fliegt nach Down Under.
Doch allein, dass Belgien in diesem Kreis steht – und nun den ersten Favoriten stürzt –, ist ein Signal. Für Europa, für kleinere Rugby-Nationen, und ja: auch für Deutschland.
Ein Signal für die zweite Reihe
Denn Belgien kommt aus jenem Rugby-Europa, das sonst im Schatten der großen Nationen lebt. Portugal, das sich 2023 sensationell für die WM qualifizierte und in Frankreich sogar Fidschi bezwang, hat es vorgemacht. Georgien, längst ein ernstzunehmender Gegner auf internationalem Niveau, hat es bestätigt. Und nun also Belgien – das beweist, dass Geduld, Struktur und eine handwerklich saubere Basisarbeit mehr bewirken können als jede kurzfristige Kampagne.
Was dort gelang, ist kein Zufall. Belgien und Portugal schicken ihre besten Talente gezielt in die großen Ligen nach Frankreich oder England – dorthin, wo Rugby nicht Nischensport, sondern tägliche Kultur ist. In der französischen Pro D2 oder der Top 14 lernen belgische Spieler wie Jean-Maurice Decubber, Matias Remue oder Isaac Montoisy, was Tempo, Präzision und physische Härte wirklich bedeuten. Sie kehren zurück, nicht entfremdet, sondern gewachsen.
Das sollte auch für Deutschland gelten: Junge Spieler müssen den Mut haben – und die Möglichkeit bekommen –, ins Ausland zu gehen. Nicht, um dort zu verschwinden, sondern um gestärkt zurückzukehren. Rugby-Entwicklung heißt nicht, Talente zu halten – sondern sie richtig loszuschicken.
Deutschland schaut zu – und sollte hinhören
Für Deutschland ist dieses belgische Aufbegehren mehr als nur eine schöne Geschichte von anderswo. Im Februar dieses Jahres trafen beide Teams in der Rugby Europe Championship aufeinander. Belgien gewann deutlich mit 39:19. Ein Ergebnis, das nüchtern betrachtet einen Klassenunterschied zeigte – und doch Hoffnung birgt. Denn Belgien war vor fünf Jahren noch auf Augenhöhe.
Was dort in Brüssel und Lüttich gelang, kann also auch hier gelingen. Wenn man will. Wenn man bereit ist, Strukturen aufzubauen, Trainer langfristig zu halten, Spielphilosophien zu entwickeln – und vor allem: den eigenen Spielern die besten Wege nach oben zu öffnen. Deutschland hat die Anlagen – Athletik, Bildung, Infrastruktur. Was fehlt, ist der rote Faden. Belgien hat ihn längst gefunden.
Europas neue Mitte
Dass nun Mannschaften wie Portugal, Georgien und Belgien an der Tür zur Weltbühne klopfen, ist kein Zufall, sondern ein Zeichen der Zeit. Das Rugby-Europa unterhalb der „Six Nations“ hat sich professionalisiert, ohne laut zu werden. Und in dieser Bewegung liegt auch für Deutschland eine Einladung: Teil zu werden einer neuen europäischen Mitte – eines Rugby-Kontinents, der nicht mehr nur aus London, Paris oder Dublin besteht, sondern auch aus Heidelberg, Brüssel, Tbilisi oder Lissabon.
Ein Abend, der bleibt
Vielleicht wird Belgien den letzten Schritt nach Australien 2027 verpassen. Vielleicht war das 22:15 gegen Namibia nur ein kurzer Moment im Rampenlicht. Doch es ist ein Abend, der etwas freilegt – über die Möglichkeiten kleinerer Rugby-Nationen und über das, was passieren kann, wenn man an den eigenen Weg glaubt.
Für Deutschland ist das kein Märchen aus der Ferne. Es ist ein Spiegel. Einer, der zeigt: Der Anschluss ist nicht verloren. Aber man muss sich auf den Weg machen – und seine besten Spieler dorthin schicken, wo Rugby wirklich gelebt wird.





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