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Herausforderungen der Professionalisierung

  • Andreas Renner
  • 13. Apr.
  • 5 Min. Lesezeit

Ein Gastbeitrag von Andreas Renner, Sportjournalist und -Kommentator für Rugby, American Football und Fußball. Ehemaliger Sportdirektor in der European League of Football.


Andreas Renner
Andreas Renner

Professionalisierung? Gar nicht so einfach


Sportvereine, Ligen oder Verbände haben in den meisten Fällen das Ziel, sich zu verbessern. Auf dieses grundsätzliche Ziel kann man sich relativ leicht einigen. Die Probleme beginnen im Detail. Der schwierigste Schritt von allen: der Übergang vom Amateursport zum Profibereich. Dabei gibt es natürlich Zwischenschritte. Im Rugby und American Football werden oft die ausländischen Spieler bezahlt, die Deutschen dagegen nicht. Ausnahmen bestätigen die Regel. Das nennt man meist Halbprofitum.


Aber zuerst müssen wir den Begriff definieren: was heißt Profi sein eigentlich? Ursprünglich war der Begriff mal definiert, als jemand, der für seine Arbeit bezahlt wird. Die Summe war dabei nicht wichtig, schon ein Euro Honorar würde einen Sportler zum Profi machen. Inzwischen sagt die Definition eher: ein Spieler, der vom Ausüben seines Sports leben kann, was es deutlich einschränkt und fast alle europäischen „Profis“ in Football und Rugby ausschließt, weil nur die wenigsten ihr Leben ohne weitere Jobs finanzieren können. Beide Sportarten sind in Deutschland also bestenfalls auf der Straße zum Profitum unterwegs.


Professionalisieren wollen sich viele, was das aber heißt bleibt oft überraschend schwammig. In der German Football League, die sich eine Professionalisierung schon seit Jahren wünscht, sich aber nur schwer auf ein Tempo für die Umsetzung einigen kann, hat ein Vereinspräsident vor einigen Jahren folgenden Satz gesagt: „Wir wollen noch professioneller werden mit noch mehr Ehrenamtlern.“ Hm…


Vielleicht muss man als erstes Mal einen Schritt zurück machen und Basisarbeit leisten. Wenn man sich professionalisieren will, müssen zunächst einmal alle, die bislang in Vereinstrukturen, die auf Ehrenamtlichkeit basieren, verstehen, dass es gar kein Teufelszeug ist, wenn Sportler oder Funktionäre für das, was sie tun, Geld bekommen. Ich erinnere mich, dass ich in einem Podcast über American Football vor ein paar Jahren mal gesagt habe, es sei doch grundsätzlich nichts Schlechtes dabei, wenn (in diesem Fall auch deutsche) Spieler eine finanzielle Entschädigung bekommen. Kurz danach traf ich einen Spieler, der sich bei mir ausdrücklich bedankte, mit den Worten: „Endlich sagt das mal einer.“


Wer sich professionalisieren will muss also grundsätzlich umdenken und alte Muster hinter sich lassen. Ja, mit wenig Geld ein erfolgreiches Projekt auf die Beine stellen ist bewundernswert und löblich. Im Profisport ist es aber auch die Ausnahme. Ohne Geld wird halt alles unglaublich schwer. Das Amateurethos aufrecht zu halten und sich dem schnöden Mammon zu verweigern ist sicher aller Ehren wert. Aber in einem immer professionelleren Umfeld muss man sich dann auch damit abfinden, dass man auf die „alte“ Art eben dann nicht mehr in der 1. Bundesliga mitspielen kann.


Natürlich wird eine solche Professionalisierung auch tragische Geschichten produzieren. Manche Vereine werden sich mit unrealistischen Projekten verheben und scheitern. Das ist aber im Rugby und im American Football auch jetzt schon ein Problem, wie diverse freiwillige Rückzüge von Vereinen in den letzten Jahren belegen. Nicht jeder wird die Reise in die Professionalität unbeschadet überstehen. Trotzdem ist eine Professionalisierung aus meiner Sicht unumgänglich.


Als ich mit zur WM 2003 angefangen habe, Rugby im Fernsehen zu kommentieren, war Deutschland weit davon entfernt, bei einer Weltmeisterschaft mitzuspielen. Mehr als 20 Jahre und diverse von den internationalen Rugbyverbänden geschlagenen Brücken später, um Deutschland in den Kreis der internationalen Elite zu hieven, müssen wir feststellen: wir sind nicht nur nicht nach vorne gekommen, sondern inzwischen von Nationen wie den Niederladen und Belgien überholt worden. Auch hier gilt: man kann sagen, für uns ist das okay, wir wollen lieber weiter machen wie bisher. Der Konsens in der Rugbyszene scheint mir das aber nicht zu sein. Und wer weiter oben mitmischen will, muss professioneller werden.


Eins ist klar: die wenigsten können diesen Schritt mit fliegenden Fahnen gehen, weil zumeist nicht auf einen Schlag so viel Geld da ist, um alle vorher unbezahlten Spieler so gut zu entlohnen, dass sie ihr komplettes Leben dem Sport unterordnen können. Auch alle Vereinsverantwortlichen können nicht schlagartig von Ehrenämtern zu Vollzeitkräften befördert werden. Wer sich professionalisieren will, muss sich darüber im Klaren sein, dass dieser Schritt schwierig ist und unweigerlich zu Verwerfungen führen wird.


Los geht es mit der Frage, wen man im ersten Schritt bezahlen kann. Alle? Oder wahrscheinlich doch eher nur einige? Reden wir von Spielern kann man sicher denen, die in diesem ersten Schritt nicht berücksichtigt werden können, in Aussicht stellen, dass sie bei entsprechender sportlicher Entwicklung in ein oder zwei Jahren bedacht werden. Bei ehrenamtlichen Vorständen ist das schwerer. Wer soll bezahlt werden, wenn es nicht für alle auf einmal reicht? Diejenigen, die schon seit Jahren ehrenamtlich arbeiten, oder neue Mitarbeiter?


Auf den ersten Blick erscheint es fair, die bewährten Mitarbeiter zu bezahlen, aber dann stellt sich die Frage: wenn man sein begrenztes Budget darauf verwendet, die Menschen zu belohnen, die bisher auch schon da waren, wie wird man dann besser, wenn zukünftig genau die gleiche Arbeit geleistet wird, nur jetzt bezahlt? Solche Entscheidungen sind extrem schwierig, bedürfen viel Kommunikation und an manchen Punkten wird man bei allem Bemühen nicht in der Lage sein, jeden glücklich zu machen. Am Ende muss man natürlich Entscheidungen treffen, die den Sport weiter bringen.


In der bisherigen Diskussion bin ich davon ausgegangen, dass schon Geld existiert, das man verteilen kann. Oft stimmt das ja gar nicht. Viele Vereine, gerade im Rugby, finanzieren sich zu großen Teilen aus Unterstützung von ehemaligen Spielern, die inzwischen beruflich erfolgreich sind. Das ist toll, aber natürlich auch endlich. Um sich zu professionalisieren, muss man entweder größere Mäzene finden, oder Sponsoren akquirieren. Nur: haben Vereine überhaupt Menschen, die so etwas können? Ich kenne viele Beispiele von Vereinen, die in der Saisonpause versuchen, das gleiche Budget wie in der Vorsaison über die bekannten Geldgeber zu beschaffen und wenn das Ziel erreicht ist, passiert auch sonst nichts mehr.


Verständlich, schließlich investieren ehrenamtliche Mitarbeiter ohnehin schon viel Freizeit, irgendwann kommt man da an seine Grenzen. Um richtige Sponsoren zu finden, braucht man Menschen, die damit Erfahrung haben. Erschwert wird das Ganze durch die Tatsache, dass echte Sponsoren auch einen Gegenwert für ihre Investition erhalten müssen: Trikotwerbung, Werbebanden, Posts auf Social Media, TV-Übertragungen usw. Als Rugbyklub muss man sich vielleicht als erstes mal die Frage stellen, was man einem Sponsor überhaupt verkaufen kann und was das tatsächlich wert ist, angesichts der real existierenden Stadien in der Rugby-Bundesliga und den gegenwärtigen Zuschauerzahlen.


Sich zu professionalisieren bedeutet auch: sich stetig weiter verbessern. Manche Vereine sind in dieser Hinsicht träge. Man hat eine feste Besetzung von Leuten, die den Verein prägen, zusätzliche Mitarbeiter sind oft gar nicht erwünscht. Ich kenne einen Verein aus der GFL, bei dem im Prinzip drei Leute die komplette Organisationsarbeit verrichten und auch regelmäßig darüber klagen, dass sie überlastet sind. Mehr Mitarbeiter wollen sie aber auch nicht, weil sie sich dann von Verantwortung bzw. Macht trennen müssten. Professioneller wird man so nicht.


Eine Professionalisierung braucht einen Plan. Wo wollen wir hin, in welchen Schritten schaffen wir das? Schließlich kann man nicht alle Ziele auf einen Schlag erreichen. Man muss sich darauf einstellen, dass man von Jahr zu Jahr immer mehr Leistung abliefern und mehr Menschen bezahlen muss. Auch hier muss man also umdenken und bereit für Veränderungen sein. Vielleicht ist dann der Verein nicht mehr ganz so familiär und es gibt mehr Menschen, die mitreden und organisieren. Das muss man nicht gut finden und man kann sich dem auch verweigern. Aber Veränderung ist die Natur der Dinge, selbst wenn man das nicht will. Tut man nichts, dann bleiben die Dinge ja nicht, wie sie sind, sondern man wird von anderen überholt. Das kann man akzeptieren und das ist auch okay. Aber Rugby in Deutschland hat diese Erfahrung in den letzten 20 Jahren gemacht und ich habe nicht den Eindruck, dass die Mehrheit der Rugbyanhänger das gut findet. Also lautet die Schlussfolgerung: muss man sich professionalisieren, auch wenn dieser Weg nicht einfach ist.

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